Spaniens Tätowierer streiten mit ihrer Gesundheitsbehörde AEMPS

Spaniens Tätowierer streiten mit ihrer Gesundheitsbehörde AEMPS

Barcelona, 02. Oktober 2024: Oriol Güell schreibt für EL PAÍS, eine der größten Tageszeitung Spaniens, dass die AEMPS von den Tätowierfarben-Herstellern einen Nachweis verlangt, dass ihre Produkte sicher sind und den europäischen Vorschriften entsprechen, bevor sie auf den spanischen Markt kommen.

Quelle: https://elpais.com/sociedad/2024-10-02/guerra-entre-los-tatuadores-y-sanidad-por-los-controles-sobre-la-seguridad-de-las-tintas.html

Seit Januar 2023 ist die berühmt berüchtigte Tattoo-REACH Verordnung (Regulation (EC) No. 1907/2006) mit ihrem Annex XVII mit Beschränkung für die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung bestimmter Stoffe in Tätowierfarben oder Permanent Make-up für ganz Europa in Kraft.

Welche Konsequenzen damit einhergehen, hat man seitens der Branchen-Profis nicht nur der für die Tattoo-REACH verantwortlichen European Chemical Agency (ECHA) lang und breit dargelegt, sondern dank Save the Pigments und Co. auch der EU-Kommission verdeutlicht.

Der Tattoo-Verband S.N.A.T in Frankreich hat erst kürzlich Antrag auf Klage gegen die EU-Kommission zur Tattoo-REACH eingereicht.

Wie wir über die Unión Nacional de Tatuadores y Anilladores Profesionales (U.N.T.A.P.) und deren im EL PAÍS Artikel zitierten Sekretär Fidel Prieto erinnert wurden, will die spanische Agentur für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte Agencia Española de Medicamentos y Productos Sanitarios (AEMPS) in Madrid seit 2023, dass in der EU zugelassene REACH-konforme Tätowierfarben überprüft und genehmigt werden, bevor sie spanischen Boden erreichen.

Dazu muss man anmerken, dass es schon seit Verabschiedung der Resolution ResAP2008/1 extreme Hürden von der Landesregierung gab, die die legale Verwendung von Tätowiermitteln in Spanien erschwerten bzw. teils unmöglich machte.

Dieses erweiterte Vorgehen unterscheidet sich von dem anderer europäischer Mitgliedsstaaten nun erneut. Dort prüft man i. d. R. über das SDS als REACH-konform titulierte Tätowierfarben erst nach abgeschlossenem Import und stichprobenartig durch ortsansässige Ämter und Behörden.

Laut im Zeitungsartikel zitierter Leiterin der Abteilung für Gesundheitsprodukte der AEMPS Carmen Ruiz-Villar, sagt diese: „Es stimmt nicht, dass in Europa bereits zugelassene Farben in Spanien erneut zugelassen werden müssen.

Tatsächlich gibt es keine europäische Zulassung.

Es gibt eine Verordnung namens REACH, die festlegt, welche chemischen Substanzen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht in Tinten verwendet werden dürfen.

Und dann richtet jedes Land die Mechanismen ein, um eine angemessene Zusammensetzung und andere sicherheitsrelevante Aspekte wie Sterilität, Stabilität und toxikologische Informationen zu überprüfen.“

Dass es kein europäisches Zulassungsverfahren für Tätowierfarben geben soll, lässt sicherlich die ein oder andere Stirn runzeln. Denn die REACH Verordnung beinhaltet kurz gefasst „NO DATA, NO MARKET“. Es dürfen also nur chemische Stoffe verwendet werden, die registriert, bewertet, zugelassen und nicht beschränkt wurden.

Damit Tätowierfarben als REACH-konform deklariert werden dürfen, müssen diese überprüft werden. Daraus entstehen dann die individuellen Safety Data Sheets (SDS) für jedes Fabrikat, die der Tätowierfarben-Hersteller erarbeiten lässt.

Das Problem hierbei lautet, dass eine Tätowierfarbe, die vom Tätowierfarben-Hersteller und seinem Prüflabor als REACH-compliant deklariert wurde, final von den Behörden und deren Laboren überprüft eventuell gar nicht wirklich REACH-konform ist. Klingt komisch aber…

Das, was das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin schon vor Jahren (2021) mit seiner Stellungnahme unter der Nummer 031/2021 zu „Mindestanforderungen an Tätowiermittel sowie Prüfmethoden für Hersteller und Händler“ angemerkt hatte, setzt Spanien nun etwas anders um.

Spanien positioniert seine Agencia Española de Medicamentos y Productos Sanitarios (AEMPS) quasi an die Staatsgrenze und fordert Tätowierfarben-Hersteller und -Importeure auf, ihre Produkte bei ihr prüfen und zuzulassen, bevor sie im Land verkauft und eingesetzt werden dürfen.

Bei uns wäre die Konstellation vergleichbar mit dem des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Es ist die Bundesoberbehörde des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG).

Die Idee finden wir ehrlich gesagt erstmal nicht sooo schlecht. Zumal man sich auf eine Prüfmethode und Anforderung festlegen muss, was und wie genau im spanischen Labor geprüft wird. Wir fragen uns an dieser Stelle, ob es dann auch weiterhin Stichproben-Kontrollen in den Studios und den Supplies gibt?

So schön die spanische Idee auch erstmal scheint, seine Landes-Vollzugsbehörden vom Thema Tätowierfarben-Kontrollen zu entlasten, Labor- und Zulassungskosten auf Hersteller und Importeure zu lenken und ein Standardprüfverfahren im Land zu implementieren, mit dem man auch noch Geld verdienen kann. So harsche Konsequenzen wird es haben oder hat es bereits für den Tattoo-/PMU- Verkäufer- und Käufer-Markt weiterhin.

Leider muss man dazu festhalten, dass Stand heute rund 95% der bisher als REACH-compliant deklarierten Tätowierfarben es je nach Prüfverfahren gar nicht sind. EU-weit verschiedene Hersteller-Rezepturen, verschiedene Prüfverfahren, verschiedene Geräte, verschiedene Methoden, verschiedene Prioritäten was genau geprüft wird. Schreibt man „REACH compliant auf die Farbflasche, ist sie nicht mehr REACH-compliant!! Hüh‘, Du Amtsschimmel.

Dazu kommen nach REACH Verordnung Grenzwerte, die von einigen Laboren mangels geeigneter Gerätschaft gar nicht erst geprüft werden können. Es muss von Spanien also ein einheitlicher Weg beschritten werden, der keine seiner derzeitigen oder zukünftigen Marktteilnehmer benachteiligt.

Zu einer Zeit, in der die Wirtschaft vielerorts hinkt – um es vorsichtig auszudrücken – könnten erneute Mehrkosten, striktere Regeln und mangelnde Verkaufszulassungen für eine Nische, wie der Tattoo- und PMU-Branche, doch eher ein rostiger Sargnagel als Heilsbringer sein.

Die Gefahr, dass die Branche und ihre Kundschaft sich eher weniger legale Wege und Mittel zur Verzierung sucht, ist hierbei recht groß. Das merkten die Experten nicht nur schon zur REACH-Einführung an, sondern bestätigt es sich seit jeher auch massiv. Vielleicht fragt sich die AEMPS ja irgendwann mal selbst, wie und unter welchen Bedingungen sich mehr als ein Drittel der 20 – 40 jährigen Spanier tätowiert haben lassen, wie im Zeitungsartikel von Oriol Güell mit Link zur EADV 2021 in Bilbao zitiert.

Dass Vorsichts- und Sicherheitsmaßnahmen vernachlässigt und zum Problem werden könnten, sagt im Artikel auch einer der ganz großen Haut- und Tattoo-Experten Spaniens. Dr. Dionís Muñoz ist u.a. Professor für den Masterstudiengang „Fortgeschrittene ästhetische Techniken und Laser“ an der CEU Cardenal Herrera Universität Valencia und Madrid.

Allerdings hat er leider auch nicht genau verstanden, warum es immer noch keine von vielen Seiten gewünschte Positivliste für Stoffe in Tätowierfarben gibt.

Auch wenn Fiedel Prieto und die U.N.T.A.P. Spaniens behördliches Vorgehen als repetitiv, bürokratisch und wenig sinnvoll anprangert und beklagt, dass REACH-konforme Tätowierfarben in Frankreich und Italien verkauft werden dürfen, in Spanien aber nicht, steht sein Land laut Behörden nicht ganz ohne Farbe da.

Wer auf der AEMPS Webseite dazu aber mal genauer hinsieht, stellt bei der öffentlich einsehbaren Liste aller aktuell zugelassenen Farben in Spanien allerdings fest, dass es für „bunte“ Tätowierungen eher schwarz aussieht und zudem primär PMU-Farben geführt werden.

Laut AEMPS wurden seit dem Beginn 2023 731 neue Anträge für die Vermarktung und Änderungen von Tätowier- und Permanent Make-up Farben eingereicht. Davon sind 343 genehmigt und zugelassen. What a gap?!

Was die seit Januar 2023 bei change.org angelegte U.N.T.A.P.-Petition mit seinen bisher rund 3.300 Stimmen bewegt bekommt, wird sich zeigen. Wir haben sie jedenfalls mit unterzeichnet!

Regulación igual que en Europa: permitan utilizar tintas de tatuaje homologadas por la UE. UNTAP PETITION Copyright Screenshot change.org 2024 for DocTattooentfernung

Link zur Petition: https://www.change.org/p/regulaci%C3%B3n-igual-que-en-europa-permitan-utilizar-tintas-de-tatuaje-homologadas-por-la-ue

Folgt der U.N.T.A.P. gerne via Instagram https://www.instagram.com/u.n.t.a.p/

Was ist Eure Meinung zum spanischen Zulassungsverfahren für Tätowierfarben?

Schreibt uns gerne in den Kommentaren.

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