„Mindestanforderungen an Tätowiermittel sowie Prüfmethoden für Hersteller und Händler“ BfR- Stellungnahme

„Mindestanforderungen an Tätowiermittel sowie Prüfmethoden für Hersteller und Händler“ BfR- Stellungnahme
Gesundheit Info Wissenswertes

Berlin. Am 14. Oktober 2021 veröffentlichte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine Stellungnahme mit dem Titel „Tätowiermittel: Mindestanforderungen und Prüfmethoden“ unter Nr. 031/2021.

Um zu verstehen, worum es hierbei genau geht, muss man wissen, dass Tätowiermittel in Deutschland seit 2005 in § 4 Absatz 1 Nummer 3 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) definiert werden. Nach Vorgaben des LFGB dürfen keine Tätowiermittel verwendet werden, an denen ein gesundheitlich bedenklicher Zweifel besteht. Seit November 2008 werden zudem über die Tätowiermittelverordnung (TätoV) in einer Negativ-Liste Stoffe verboten, die in Tätowiermitteln nicht genutzt werden dürfen.

Die ECHA

Seit Mai 2006 arbeitete die EU zusammen mit der Europäischen Chemikalien Agentur ECHA parallel an einer Regulierung von Stoffen in Tätowiermitteln und Permanent Make-up. Diese ist seit dem 14. Dezember 2020 auf europäischer Ebene unter dem Namen REACH-Verordnung in Kraft getreten. Eintrag 75 des Anhangs XVII der REACH-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1907/2006).  

Vermutete gesundheitsschädliche Wirkungen

Die REACH-VO verbietet in weiten Teilen nicht nur die Verwendung verschiedenster und bewährter Pigment-Varianten und Inhaltsstoffe in Tätowiermitteln, sondern setzt in ihren Beschränkungsdossiers auch schwer nachvollziehbare Mess- und Grenzwerte hierfür ein. Dabei werden Stoffe mit bekannten und „vermuteten“ gesundheitsschädlichen Wirkungen beschränkt und Höchstkonzentrationen festgelegt, die teils nicht einmal und ohne Weiteres messbar sind.

Hintergrund dieser ganzen Bürokratie ist u.a. die Verbesserung und Vereinheitlichung des Verbraucherschutzes in Europa. Die ECHA hat sich dabei zur Aufgabe gemacht, so viele chemische Stoffe aus unserem Alltag zu verbannen, wie nach ihren Vorstellungen und Herleitungen notwendig. Natürlich macht sie das nicht alleine, sondern erarbeitet anhand von externen Risikobewertungen und Sicherheitsanalysen ihre Beschränkungsdossiers.   

Tätowiermittel nach ResAP2008

Schaut man sich nun das ECHA-Resultat ihrer REACH-VO im Bezug auf die derzeit verwendeten (ResAP2008 konformen) Tätowiermittel an, dann darf man als Laie gerne mal fragen: „Geht‘s eigentlich noch?“

Der Knackpunkt an vielerlei Stellen ist, dass es aktuell zu wenige Studien und eine sehr spärliche Datenlage rundum das Thema Tattoo und Tätowiermittel gibt. Das liegt mitunter auch an dem Fakt, dass Tätowiermittel in Deutschland an der Regulierung der Kosmetikmittelverordnung hängen und hier Erkenntnisse einfach vermutet und auf Tätowierungen übertragen werden. Dass dies wenig sinnvoll erscheint, mag nur demjenigen auffallen, der weiß, dass Kosmetika für „auf“ der Haut gedacht sind und Tätowierungen „in“ die Haut eingebracht werden.  

Zur Erläuterung:

Tätowiermittel bestehen aus puderähnlichen Farbpigmenten. Hinzugemischt werden Hilfsstoffe, wie Lösungsmittel, Bindemittel und Additive, die es erst ermöglichen Tätowierfarben mit Tätowierwerkzeugen in die Haut zu injizieren. Man spricht hierbei auch von Farbmitteln und nicht von Farbstoffen, da letztere löslich und für die Haltbarkeit in der Haut ungeeignet sind.

Die Problematik bei der Entwicklung der REACH-Verordnung ist mitunter nun, dass es bislang keine verbindlichen Prüf-Kriterien gibt, anhand derer eine Sicherheitsbewertung von Tätowiermitteln hätte erfolgen können bzw. müssen.

Vieles dazu entstammt dabei aus der eben erwähnten Kosmetikmittel-Verordnung.

Ein Grund, warum die Tattoo-Industrie, Mediziner und Wissenschaftler seit Jahren – wenn nicht mittlerweile Jahrzehnten – dafür plädieren, dass Tätowiermittel unabhängig von der Kosmetik zu betrachten sind.      

Eine weitere große Schwachstelle besteht darin, dass es bis dato keine Prüf-Methoden noch Daten gibt, um eine umfängliche gesundheitliche Risikobewertung für Tätowiermittel zu erstellen.

Das soll sich nun ändern und ist der Grund wofür das Bundesinstitut für Risikobewertung BfR in Berlin erste Schritte in der Sache gegangen ist.

Über das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Website-Zitat:

„Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.“

In seiner nun veröffentlichten neuen Stellungnahme Nr. 031/2021 vom 14. Oktober 2021, hat das BfR jetzt „Mindestanforderungen an Tätowiermittel sowie Prüfmethoden für Hersteller und Inverkehrbringer (Händler)“ formuliert.

Für die hier in der Stellungnahme vorgestellten toxikologischen und analytischen Mindestanforderungen liegen laut BfR bereits einige operable Testmethoden vor, so dass diese sofort angewendet werden können. Das BfR hat aber auch Anforderungen formuliert, für die weitere Forschung und Methodenentwicklung, die bisher noch nicht operabel sind, benötigt werden.

Auf den 40 Seiten der BfR-Stellungnahme geht es u.a. um Charakterisierungen von Kontaminanten, freisetzbaren Stoffen, Chemikalien und ihrer Reinheit. Aber auch um toxikologische Mindestanforderungen und die Entwicklung von Prüfanforderungen hierzu.    

Dabei soll die Forschung am Pigment für die Verwendung in Tätowiermitteln im Vordergrund stehen und vorrangig diejenigen identifizieren, die für Tätowierzwecke nach Sicherheitsdatenlage ungeeignet erscheinen. 

Hier geht es zur BfR- Stellungnahme:

Wer sich nun die Stellungnahme des BfR tatsächlich bis zur letzten Seite 40 angetan hat, der versteht, warum es dringend geboten ist weiterhin seine Stimme gegen die aktuelle Variante der REACH-Verordnung zu heben.

Save the Pigments EU Petition

EU-Petition Nr. 1072/2020

zum Erhalt von Pigment 74160 (Pigment Blue15) & 74260 (Pigment Green7) für die Herstellung und Verwendung in Tätowier- und Permanent Make-up Mitteln in der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH).

Weitere Informationen auch unter www.savethepigments.com

121585 Unterstützer haben hier nicht ohne Grund ihre Stimme abgegeben!

Einer unserer Lieblingssätze aus der BfR-Stellungnahme im Zitat:

(…) „Die genannten Informationen zeigen, dass bezüglich der eingebrachten Tätowiermittelmenge immer noch große Unsicherheiten bestehen und die Datenlage als unzureichend anzusehen ist. Die Expositionsschätzung aus dem REACH-Beschränkungsdossier ist konservativ;“ (…)

Soll im Umkehrschluss so viel heißen, dass die ECHA bisher nicht einmal zu 100% weiß, wie viel Farbpigment sich überhaupt im Schnitt in der Haut befindet und ab wann diese Menge mit einem Risiko zu belegen sein könnte.

Dazu zitieren nicht nur wir so gerne Paracelsus:

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“

Wenn man Risikoanalysen zu toxikologischen Summationseffekten erarbeiten möchte, dann sollte man eventuell damit anfangen konkrete Messdaten zu erheben anstatt mit Annahmen, Schätzungen und Zahlen aus nicht vergleichbaren Metiers zu verwenden.

Und hierbei setzt das BfR gemeinsam mit der Charité mit einer spannenden Untersuchung – einer sogenannten Kurzzeitbioverfügbarkeitsstudie – mit dem Namen „Berliner Tattoo-Studie schwarz/ rot“ an, auf die wir in diesem Zusammenhang gerne noch einmal aufmerksam machen möchten.

Berliner Tattoo-Studie 2021 Copyright BfR und Charité

Unsere Anmerkung:

Alles in allem noch eine riesige Baustelle und für die Tätowiermittelhersteller, Tattoo-Supplies und die Tätowierer selbst sicherlich kein einfacher Weg für die Zukunft. Auch die neue Stellungnahme des BfR – nach unserer Rücksprache mit Profis, die sich damit wirklich auskennen – wird die Welt so leicht nicht bunter, schöner oder plötzlich (un-)gesünder.

Die mittlerweile des öfteren aufgekeimte Idee zukünftige Tattoo-Kunden in der Einverständniserklärung doch einfach den Satz „Tätowierungen können Ihrer Gesundheit schaden!“ unterschreiben zu lassen, ist unsinnig. Das ganze Leben kann unserer Gesundheit schaden und endet dazu meistens mit dem Tod! Dass eine strengere Regulierung von Tätowiermitteln zu mehr Anwender- und Verbraucherschutz führt, ist unstrittig. Dass eine REACH-konforme Tätowierfarbe aber gesundheitliche Folgen, wie eine mögliche allergische Reaktion darauf ausschliesst, ist Wunschdenken. Bis jetzt weiß zudem NIEMAND, wo eine strengere REACH-Regulierung genau hinführt. Garantien für die gesundheitliche Unbedenklichkeit wird aller Voraussicht nach jedenfalls nie jemand übernehmen.