Ein 2024 in Dermatologic Surgery (Wolters Kluwer Health, Inc.) veröffentlichter Fallbericht aus den Niederlanden dokumentiert eine extrem seltene Typ‑I-Allergie, die verzögert nach einer Pikosekunden-Laserbehandlung auftrat.
Ein bisher einmaliger Vorgang, der trotz seiner Seltenheit Aufmerksamkeit verdient.
Die Tattooentfernung mittels Pico-Laser erlebt gerade einen regelrechten Boom. Nicht zuletzt dank eben jener innovativer pikosekunden Laser-Technologie, sondern auch unwillkürlich aufgrund der Masse an gestochenen Tätowierung und Permanent Make-up, die nicht jedem für immer und ewig gefallen.
Diese High-End (Nd:YAG oder Alexandrit) Pico-Laser ermöglichen bei der Tattooentfernung eine besonders effektive, hautschonende und als weniger schmerzhaft empfundene Laserbehandlung. Warum sich eventuell auch mehr Leute „trauen“ lasern zu lassen?!
Doch wie bei jeder medizinischen Maßnahme – auch wenn sie eher ästhetisch-kosmetischer Natur ist – gilt: Keine Methode zur Tattooentfernung ist völlig frei von Risiken.
Wir schreiben hierüber, da wir mit stetig wachsendem Interesse an dieser Form der Tattooentfernung auch immer wieder nach möglichen nichtinfektiösen Hautreaktionen, wie Allergien gefragt werden.
Was ist ein Pikosekunden-Laser?
Ein Pikosekunden-Laser (eng. abk.: Pico-Laser) erzeugt Lichtimpulse im Billionstel-Sekundenbereich (10⁻¹² Sekunden).
Diese ultrakurz andauernden Laser-Impulse zielen mit ihrer spezifischen Licht-Wellenlänge punktweise auf die in der Haut (Dermis – mittlere Hautschicht) eingelagerten Tattoo-Pigmente ab und zertrümmern diese für den weiteren Abtransport durch das Immunsystem in kleinste Fragmente.
Das Ziel lautet hierbei eine besonders gründliche und schnelle Auflösung der Farbpigmente mit minimaler Wärmeeinwirkung durch die hochenergetischen Laser-Impulse im umliegenden Hautgewebe herbeizuführen.
Gerade bei mehrfarbigen oder hartnäckigen Tätowierungen ist ein echter (und nicht nur so gebrandeter) Pico-Laser die bevorzugte medizinische Technologie (gegenüber ihren älteren länger gepulsten Nanosekunden-/ Nano-Lasern) mit einem exzellentem Sicherheits- und Wirkungsprofil.
Der dokumentierte Einzelfall: Allergische Reaktion nach Tattooentfernung mit Pico-Laser
Suzanne von Santen, Esther van Zuuren (Leiden University Medical Center) Albert Wolkerstorfer (Amsterdam University Medical Center) und Sebastiaan van der Bent (Tattoo Clinic – Tattoopoli, Alrijne Hospital Leiden) aus den Niederlanden publizierten diese Fallstudie, die erstmals eine verzögert auftretende Typ‑I-Allergie nach der Entfernung eines schwarzen Tattoos mittels Pikosekunden-Laser beschreibt.
Wer das Original mal nachlesen möchte, findet hier den Link zum Pico Allergie-Typ-I Fall:
Delayed Onset Type I Allergic Reaction Following Black Tattoo Removal Using Picosecond Laser
van Santen, Suzanne MD, PhD et al., Delayed Onset Type I Allergic Reaction Following Black Tattoo Removal Using Picosecond Laser. Dermatologic Surgery 50(6):p 597-598, June 2024. | DOI: 10.1097/DSS.0000000000004127
Diese nichtinfektiöse Hautreaktion zeigte sich erst mehrere Tage nach der Behandlung eines zu dunkel erscheinenden Blackwork Arm-Tattoos zur Aufhellung mit einem Pico Nd:YAG Lasersystem und manifestierte sich in Form von:
- Rötung
- Juckreiz
- Brennen
- lokaler Blasenbildung
- papulöse Hautreaktion (kleine Knötchen)
- Angioödem (Schwellung) im Gesicht, an Händen, Handgelenken und Füßen
- ausgedehnte Urtikaria (Nesselfieber) am Körper
- Kehlkopfödem mit daraus resultierenden Schluckbeschwerden
- spontaner kurzzeitiger Verlust das Bewusstseins (zum Glück in der Klinik)
Die 20-jährige Patientin hatte zuvor keine bekannten Allergien oder Unverträglichkeiten. Der Fall ist damit sowohl in der dermatologischen Literatur als auch im klinischen Alltag bisher, und auch für uns, eine absolute Rarität.
Wie entstehen solche allergischen Reaktionen?
Typ-I-Allergien sind sogenannte sofortige Überempfindlichkeitsreaktionen. Sie zeichnen sich durch eine schnelle Reaktion auf ein Allergen aus, die „klassischer Weise“ innerhalb von Minuten bis Stunden nach dem Kontakt auftreten.
Die Reaktion wird hierbei durch die Freisetzung von Botenstoffen wie Histamin ausgelöst, die zuvor durch IgE-Antikörper (Immunglobulin E) sensibilisiert wurden.
Im vorliegenden Fall trat die Reaktion jedoch nicht sofort, sondern verzögert erst nach mehreren Tagen auf.
Diese Diskrepanz macht den Fall aus Holland auch so besonders interessant.
Möglicher Mechanismus:
- der Pico-Laser zersetzt das Pigment in kleinste Partikel
- diese Partikel werden durch das Immunsystem erkannt und verarbeitet
- bei entsprechender Sensibilisierung kann es zur Freisetzung von Histamin und anderen Entzündungsmediatoren kommen, was die typischen Symptome erklärt
Das Erstaunliche: Solche Reaktionen wurden in der Literatur bei Tattooentfernungen so gut wie nie berichtet. Insbesondere nicht nach Einsatz eines Pico Nd:YAG Lasers bei 1064nm.
Wie selten ist diese Typ‑I-Allergie Reaktion in Verbindung Tattooentfernung mit Pico-Laser wirklich?
Laut aktuellem Stand:
- nur ein einziger dokumentierter Fall aus NL weltweit (Stand: Veröffentlichung 2024)
- keine bekannten Serien oder Wiederholungsfälle
- allergische Reaktionen auf Pigment-schwarz (Carbon Black oder Eisenoxid) eh sehr selten
- Pikosekunden-Laser gelten als sehr sicher, auch im Vergleich zu älteren Nanosekunden-Lasern
Die Reaktion ist damit als extrem seltene Ausnahmeerscheinung einzuordnen.
Medizinisch relevant, aber statistisch vernachlässigbar gering. Dennoch wichtig, da Ärzte und Laser-Behandler die Möglichkeit kennen sollten, um im Ernstfall richtig reagieren zu können.
Bedeutung für Praxis und Patientenaufklärung
1. Transparente Risikoaufklärung
Auch sehr seltene Reaktionen gehören in ein verantwortungsbewusstes Aufklärungsgespräch. Laser-Kunden sollten wissen, dass in Einzelfällen solche immunologische Reaktionen auch erst Tage nach der Behandlung auftreten können.
2. Besonderes Augenmerk gilt den Allergikern
Personen mit bekannter Atopie (Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen), Hautreaktionen oder multiplen Allergien sollten besonders engmaschig betreut und ggf. vorab allergologisch vom Spezialisten abgeklärt werden.
3. Nachsorge & Monitoring
Ein Follow-up nach 3 bis 7 Tagen kann helfen, ungewöhnliche Reaktionen frühzeitig zu erkennen. Auch bei zunächst unauffälliger Abheilung sollten Laser-Kunden Symptome, wie Juckreiz oder Schwellung ernst nehmen und ihrem Laser-Mediziner melden.
4. Therapiemöglichkeiten im Ernstfall
Im geschilderten Fall reagierte die Patientin gut auf Antihistaminika und topische Kortikosteroide. Auch systemische Steroide sind im Bedarfsfall angezeigt.
Was unterscheidet diesen Allergie-Fall von bisherigen Berichten?
- Die meisten allergischen Reaktionen nach Tattooentfernungen mittels Laser betreffen eher bunte und hier vor allen Dingen rote Tattoo-Pigmente und nicht schwarze.
- Bisherige Komplikationen traten vorwiegend nach Einsatz älterer Lasertypen (z. B. Q-switched Nano-Lasern (Rubin, Alexandrit oder Nd:YAG) auf.
- Der Pico-Laser gilt derweil als überlegene und risikoärmere Alternative in der Medizin-Technik, was durch diesen Fall nicht widerlegt, aber differenziert betrachtet werden sollte.
Fazit:
Selten aber relevant! Die verzögerte Typ‑I-Allergie nach einer Tattooentfernung mit Pico-Laser bei einer schwarzen Tätowierung ist ein Einzelfall mit Signalwirkung.
Auch wenn das Risiko verschwindend gering ist, sollten Laser-Mediziner, Hautärzte und Allergologen vorbereitet sein, um eine solche Reaktion im Ernstfall richtig herleiten, einordnen und adäquat behandeln zu können.
Für Laser-Kunden bedeutet das: Moderne Laser-Technologie und ihre professionellen Anwender bieten hohe Sicherheit aber eine absolute Risikofreiheit gibt es nicht.
Anmerkung:
Es gibt nichts, worauf der menschliche Organismus nicht reagieren könnte. Ein einziges dokumentiertes Ereignis darf dabei nicht verunsichern aber es sollte dafür sensibilisieren, vorausschauend, transparent und patientenorentiert zu arbeiten.
Wir arbeiten bei DocTattooentfernung für solche Fälle unter anderem eng mit den Spezialisten im und um den IVDK (Informationsverbund Dermatologischer Kliniken) zusammen.
In der IVDK Tattoo-Studie 2.0 , geleitet von Dr. rer. nat. Steffen Schubert, gibt der IVDK, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kontaktallergie-Gruppe (DKG), dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und der Universität Münster, Hilfestellung bei der allergologischen Individualdiagnostik von Patienten mit nichtinfektiösen Unverträglichkeitsreaktionen.
Also gerne melden, wem das Tattoo (nicht nur nach dem Lasern) auffällig erscheint!