Seit fast 3 Monaten ist die bisher erfolgreichste EU-Petition zum Erhalt der Pigmente Blue 15 & Green 7 ist geschlossen. Seit mittlerweile über 10 Monaten kämpfen europaweit Tätowierer und Tätowiererinnen mit der Situation um die strengste Chemikalien-Gesetzgebung der Welt und ihren Vorgaben. Der Tattoo-REACH.
So, wie es das französische S.N.A.T. mit Ihrer landeseigenen Umfrage kürzlich schon festgestellt hatte, hat sich die Lage auch nach 6 Monaten des Inkrafttretens der neuen europäischen Tattoo-REACH Verordnung in den Tattoo-Studios kaum verändert (hier erneut kurz angemerkt):
- Nur eine Hand voll Hersteller bietet neue Tätowierfarben mit der Kennzeichnung „REACH compliant“ (= konform“) an. Bis 2021 waren es noch mehr als dreißig;
- Viele Farbtöne und Nuancen fehlen in professionellen Katalogen, da sich einige Markenhersteller bisher auf Schwarz, Grau und/oder Weiß beschränken;
- Distributoren tröpfeln ihre REACH-konformen Produkte in den Markt, ohne einen wirklichen Überblick über die Lieferung neuer Bestände zu haben;
- Der durchschnittliche Preis für Farbfläschchen hat sich mindestens verdoppelt , manchmal sogar vervierfacht;
- Alt-Bestände aus der Zeit vor 2022 verbreiten sich weiterhin. Entweder aus den Schränken von Tätowierern, die nicht immer wissen, ob ihre Tätowierfarben den Anforderungen entsprechen, oder aus den Regalen von Händlern, die sie als „nicht konform“ oder „Zeichentinte“ verkaufen.
Mehr dazu im Beitrag: TÄTOWIERFARBEN: Das Schwierigste kommt noch?* – S.N.A.T.
Das Save the Pigments REACH-STATEMENT
Aktuell melden sich auch die jeweiligen Initiatoren der Petitionen “Tattoofarben retten” und “Save the Pigments” gemeinsam mit einigen Deutschen und europäischen Tätowierer-Verbänden zurück und berichten nach einem gegenseitigen Austausch vom derzeitigen Stand der Dinge und Problemen in ihren EU-Ländern.
Das gemeinsame Gespräch der letzten Tage, an dem nicht nur Verbandsvertreter, sondern auch Tätowierer, Tattoo-Supplies und Tätowierfarben-Hersteller beteiligt waren, geht nun ein zusammenfassendes Statement hervor, das auf den Status Quo der Tattoo-REACH Situation verweist.
Das Schreiben umfasst einige markante Punkte, die über die jeweiligen EU-Tattoo-Verbände an deren offiziellen Behörden und EU-Ansprechpartner geleitet werden sollen.
Sie betonen dabei die prekäre Lage der Branche: Tattoofarben stehen immer noch nicht ausreichend zur Verfügung.
Dieser Versorgungsengpass soll vor allem an fehlender Planungssicherheit aufgrund dem EU-weit nicht einheitlichen Vollzug der REACH-Anforderungen hängen.
Woher nehmen, wenn nicht auf Altes zurückgreifen?
Hierin enthalten ist nicht nur der Hinweise darauf, dass die Verfügbarkeit von „REACH-konformen Gemischen zur Verwendung in Tätowierungen oder Permanent-Make-up“ (Tätowierfarben) die Europäische Tattoo-Industrie auch 6 (mittlerweile 10) Monate nach Einführung der Beschränkung in Anhang XVII, (Tattoo-REACH) weiterhin vor große Herausforderungen stellt.
Derzeit sind im B-B-Handel viele Tätowierfarben nur in sehr geringen Mengen bis gar nicht verfügbar. Der Bedarf an Tätowierfarben für die Europäische Tätowier- und PMU-Branche ist zurzeit nicht gedeckt.
Der Versorgungsengpass begründet sich insbesondere in einer fehlenden technischen Machbarkeit einiger Vorgaben sowie an einer fehlenden Planungssicherheit aufgrund EU-weit inkohärenter Vollzugsaktivitäten.
Daher sieht die Branche dringenden Bedarf einer deutlich verbesserten und abgestimmten Implementierung von Beschränkungsanforderungen und Grenzwertvorgaben in einigen relevanten Bereichen.
Probleme bei uneinheitlichen Analyseverfahren und behördlichem Vollzug
Uneinheitliche Analyse-Verfahren in unterschiedlichen EU-Ländern verursachen zur Zeit erhebliche Schwierigkeiten. So haben Behörden als Beispiel RAPEX-Meldungen auf der Grundlage von Daten aus falschen Prüf-Szenarien verhängt.
Ein Problembereich sind als weiteres Beispiel die Etiketten. Einige Kontrollstellen verlangen, dass auf Etiketten von Tätowierfarben „REACH-konform“ steht. Die EU-Beschränkung schreibt selbst ein solches Kriterium aber gar nicht vor.
Das hat in einigen Fällen sogar schon zu behördlich angeordneten Entsorgung von Tätowierfarben geführt, die als solche eigentlich einwandfrei waren.
Des Weiteren ist natürlich auch das Pigment Blau 15 Thema. Hier wird im aktuellen Gesetzesvorschlag aus UK (Annex XV, Restriction Report, Proposal of UK) kein Verbot des Pigments Blue 15 gefordert.
Dies kann als weiterer Beleg dafür gewertet werden, dass es sich beim EU-Verbot nach Tattoo-REACH um eine Überregulierung der EU handelt.
Wie bereits während der Entstehung der EU-Beschränkung mehrmals der ECHA von verschiedensten Seiten berichtet wurde, gibt es für das Pigment Blue 15 immer noch keine Alternative.
Zudem besteht auch keine Evidenz bezüglich eines kritischen Effektes dieses Pigmentes bei der Verwendung in Tätowierfarben.
Wichtiger Hinweis – wenn nicht dringende Aufforderung
Save the Pigments, als Verfasser des REACH-Statements, weist auch ausdrücklich auf die unkoordinierte Umsetzung zwischen und unter den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten hin.
Dies führt unweigerlich zu einer Wettbewerbsverzerrungen und mangelnder Transparenz. Welches Tätowierfarben-Produkt ist nun wirklich konform und welches nicht?
Eine Planungssicherheit für die Produktion, Einkauf und Vertrieb ist aktuell Eu-weit nicht gegeben. Im Umkehrschluss trägt das auch zu Lieferengpässen bei.
Es müssen also zeitnah konkrete Schritte zur Harmonisierung des Gesetzes, seinen Vorgaben und darin enthaltene Umsetzungsprotokolle gegangen werden.
Als Hilfreich erachtet werden indes z.B. Richtlinien für komplexe Themen, wie Kennzeichnung und Grenzwert-Analyse.
Final
Und das hat die Tattoo-Branche schon seit jeher getan – bietet man der EU-ECHA erneut die Möglichkeit der Zusammenarbeit, um seine Erfahrungen aus der Praxis beizusteuern. Jetzt müsste also nur noch die EU-Com lesen und zuhören!
Das „Save the Pigments REACH-Statement 09-2022“ findet Ihr entweder über den Instagram-Account von Save the Pigments (Liken bitte nicht vergessen):
oder hier als PDF direkt bei uns: