Utah-Studie: Tattoos und das verringerte Risiko von Melanomen

Utah-Studie: Tattoos und das verringerte Risiko von Melanomen

Tattoos sind längst mehr als nur ein modischer Trend, … blabla. Jeder weiß, wie bunt unsere Welt mittlerweile ist. Allein in den USA trägt inzwischen rund ein Drittel der Erwachsenen (ca. 86,1 Millionen) permanenten Körperschmuck in der Haut. Mit stetig wachsender Verbreitung stellt sich jedoch ebenso stetig die Frage, ob Tätowierungen nun Einfluss auf das Risiko für Hautkrebs, insbesondere auf die gefährliche Form des Melanoms haben, oder nicht.

Eine sehr neue bevölkerungsbasierte Fall-Kontroll-Studie aus Utah (USA) bringt nun bemerkenswerte Erkenntnisse in die Debatte rund um Tattoos & Krebsrisiko.

Kürzlich erst bein World Congress on Tattoo and Pigment Research WCTP2025 in Rom vorgestellt, nun endlich veröffentlicht via Artikel im Journal of the National Cancer Institute (JNCI)

Im Original nachzulesen unter:

Tattooing and risk of melanoma: a population-based case-control study in Utah

Rachel D McCarty, Britton Trabert, Lindsay J Collin, Morgan M Millar, David Kriebel, Laurie Grieshober, Mollie E Barnard, Jenna Sawatzki, Marjorie Carter, Valerie Yoder, Jeffrey A Gilreath, Douglas Grossman, John Hyngstrom, Paul J Shami, Jennifer A Doherty, Tattooing and risk of melanoma: a population-based case-control study in Utah, JNCI: Journal of the National Cancer Institute, 2025;, djaf235, https://doi.org/10.1093/jnci/djaf235

Ergänzen möchten wir diese Utah-Studie als gleich durch die experimentellen Ergebnisse von Lerche et al. (2015, Kopenhagen) und der Verhaltensanalysen von Kluger et al. (2013 Helsinki).

Ergibt sich hier ein differenziertes Bild darüber, wie Tattoos, Sonneneinstrahlung und individuelles Verhalten miteinander verflochten sind?

Tätowierfarben enthalten nachweislich Substanzen, die möglicher Weise krebserregend wirken können. Darunter als Beispiel polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und primäre aromatische Amine (PAA).

Wir wissen, dass in der Haut (Dermis) eingelagerte Tattoo-Pigmente unter UV-Strahlung zerfallen und neue, potenziell toxische Verbindungen bilden können.

Auch von der Ablagerung von Tattoo-Pigmenten unter anderem in regionalen Lymphknoten weiß man nun schon seit 1887. Siehe nochmals Monsieur G. Variot und Monsieur Henry Morau und ihre Ersterwähnung in Bulletins de la Société d’anthropologie de Paris (Seiten 730-736).

Mögliche chronische Entzündungsreaktionen und ähnliche gesundheitliche Komplikationen aufgrund von Tätowierungen kennt man auch.

Tatsächlich findet man auch „einzelne“ Fallberichte über Melanome, die innerhalb tätowierter Hautareale auftraten. Bislang fehlen jedoch belastbare epidemiologische Daten. Genau hier setzt jetzt die neue Utah-Fall-Kontroll-Studie an.

Tattoo-Studien aus Utah. Wir meinen, es war bereits 2023 als Rachel D. McCarty sich damals noch als PostDoc der IARC mit ihren Erkenntnissen aus ähnlich gestrickten Fall-Kontroll-Studien zum Thema Tattoo auf sich aufmerksam gemacht hatte (Tätowierung und Risiko für hämatologischen Krebs).

Der US-Bundesstaat Utah selbst, mit seiner Hauptstadt Salt Lake City, ist derweil weltweit bekannt durch seine monumentalen abwechslungsreichen Landschaften von der schroffen Wüste bis zu den weißen Gebirgswipfeln der Rocky Mountains.

In der dermatologischen Krebs-Forschung eignet sich der Standort nur leider bestens, weil Utah eine der höchsten Melanom-Raten weltweit aufweist. Wt.. Utah?! Also gleich mal direkt im Wespennetz nachfragen.

In dieser neuen bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie der 19 bis 79 Jahre alten Utahnern wurden nun 1.167 Melanom-Fälle sowohl in situ (566 an der gegebenen anatomischen Position) als auch invasiv (601 in Zellen und Gewebe eingedrungen) mit 5.835 gesunden Kontroll-Fällen verglichen.

Liebe Presse, das sind in Summe 7002 Studien-Teilnehmer!! Ja, nein auch wenn da was von 21.542 Teilnehmern und Co. steht! 7002 „ist netto“ und was wichtig ist!

Die Forscherinnen und Forscher rund um Rachel McCarty, mittlerweile PhD, analysierten dabei im Huntsman Cancer Institute, eine vom NCI anerkannte Krebsforschungseinrichtung und ein Krankenhaus auf dem Campus der University of Utah in Salt Lake City nicht nur, ob eine Person tätowiert war, sondern auch den Umfang und die Zeitpunkte der Tätowierungen.

Die Teilnehmenden gaben an, ob sie tätowiert waren, die Anzahl der Tattoo-Sitzungen, die Größe der tätowierten Hautfläche (klein, mittel, groß) und das Alter bei der ersten Tätowierung.

Mithilfe logistischer Regressions-Modelle (statistische Analyseverfahren) wurde dann geprüft, ob Tätowierungen mit dem Auftreten eines Melanoms in Zusammenhang stehen. Dabei wurde nach Geschlecht, Alter und weiteren Basisvariablen angepasst und justiert.

Personen mit vier oder mehr Tattoo-Sessions hatten ein um rund 56 % reduziertes Risiko für Melanome (Hautkrebs).

Besonders auffällig war der Effekt bei drei oder mehr großflächigen Tätowierungen. Hier lag das Risiko um etwa 74 % niedriger.

Wer sein erstes Tattoo vor dem 20. Lebensjahr erhalten hatte, wies ein um über 50 % vermindertes Risiko für invasive Melanome auf.

Umgekehrt zeigte sich, dass eine einzige Tattoo-Sitzung mit einem erhöhten Melanom-Risiko assoziiert war. Insbesondere für Frühformen (in situ).

Dies könnte auf einen Überdiagnose-Effekt hindeuten, da Menschen mit nur einem Tattoo ihre Haut möglicherweise aufmerksamer beobachten, was zu einer schnelleren Diagnose verdächtiger Läsionen geführt haben könnte.

Die Geschlechts- und Altersunterschiede, wobei der schützende Zusammenhang beim weiblichen Anteil der Teilnehmer ausgeprägter war als bei den Männern und jüngere insgesamt stärkere Effekte zeigten als ältere, zeigt uns, dass olle Utah-Männer mehr cremen müssen!

Warum ein höherer Tattoo-Umfang – also mehr tätowierte Hautfläche – mit einem geringeren Melanom-Risiko einhergeht, ist bislang unklar. Zwei Hypothesen stehen dazu laut Forschern im Raum.

Immunologische Effekte:

Tätowierungen lösen eine dauerhafte Immunreaktion aus. Das könnte zur verstärkten Überwachung und Eliminierung von entarteten Hautzellen beitragen. Ein Mechanismus, der auch in der modernen Krebs-Immuntherapie genutzt wird. (kann man ähnlich nachlesen unter DOI: 10.1002/ajhb.23347)

UV-Blockade durch Pigmente:

Besonders dunkle Tinten absorbieren ultraviolette Strahlung und könnten wie eine Art permanenter „Sonnenschutz“ wirken. Diese Theorie wird durch die Studie von Lerche et al. (2015) gestützt.

In einem Maus-Modell entwickelten Tiere mit schwarzen Tattoos deutlich langsamer UV-induzierten Hautkrebs als Tiere ohne Pigmente. Das legt nahe, dass Tattoo-Farben zumindest auf bestimmten Hautarealen die Belastung durch UV-Strahlen reduzieren können. (kann man nachlesen unter DOI: 10.1111/phpp.12181)

Beide Mechanismen könnten zusammenspielen und erklären, warum Personen mit großflächigen Tätowierungen ein geringeres Melanom-Rrisiko aufwiesen.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist das Verhalten in der Sonne. Nicolas Kluger M.D., Ph.D., Associate professor et al. untersuchten (Dezember 2023) in einer groß angelegten Befragung, wie tätowierte Menschen mit Sonnenschutz umgehen. Die Ergebnisse zeigen ein ambivalentes Bild.

Einerseits neigen Tätowierte tendenziell zu einem höheren Sonnenexpositionsrisiko, etwa weil sie ihre Körperkunst präsentieren möchten.

Andererseits nutzen viele von ihnen Sonnenschutz konsequenter, insbesondere Sonnencremes mit höherem Lichtschutzfaktor, um die Farbintensität ihrer Tätowierungen zu bewahren.

Diese Ergebnisse unterstreichen, dass die Beziehung zwischen Tattoos, UV-Strahlung und Hautkrebsrisiko nicht eindimensional ist. Vielmehr existieren offenbar zwei „Tattoo-Sub-Gruppen“.

Diejenigen bunten Erdenbügerinnen und -bürger mit eher riskanterem Sonnenverhalten und jene, die ihre Haut besonders gewissenhaft schützen und pflegen (kann man nachlesen unter DOI: 10.1002/jvc2.337).

Übrigens gerne mal the_tattooed_derm auf Instagram folgen!

Die Utah-Fall-Kontroll-Studie liefert super wertvolle Daten, weist aber auch auf Limitierungen hin. So fehlten für die Kontrollgruppe detaillierte Informationen zu klassischen Melanom-Risikofaktoren wie Hauttyp, Sonnenbränden in der Jugend oder familiärer Vorbelastung.

Zudem wurde nicht systematisch erfasst, ob Melanome tatsächlich innerhalb tätowierter Areale auftraten.

Auch bleibt offen, ob die beobachteten Effekte kausal sind oder durch andere Faktoren, etwa Rauchen, sozioökonomische Unterschiede oder unterschiedliche Lebensstile mitbedingt werden.

Weitere groß angelegte Studien sind daher nötig, um die Zusammenhänge endgültig zu klären. Und die werden ja auch schon gemacht.

Die neuen Daten aus Utah stellen eine bisherige Annahme „lösen Tattoos bösen Hautkrebs aus?“ deutlich infrage.

Anstatt das sich das Melanom-Risiko mit bunter Haut erhöht, könnte tatsächlich intensiveres Tätowieren mit einem geringeren Risiko verbunden sein. Wenn das mal kein Verkaufsargument für die Tattoo-Artists ist?!

Tierexperimentelle Ergebnisse und Verhaltensstudien stützen zudem noch die Hypothese, dass Tattoos durch UV-Absorption und verändertes Sonnenverhalten eine gewisse Schutzwirkung entfalten können.

Für die Praxis bedeutet das jedoch leider nicht, dass Tätowierungen eine wirksame Hautkrebs-Prävention darstellen. UV-Schutz bleibt der entscheidende Faktor. Egal ob mit oder ohne Tattoos, in Utah oder im Ruhrgebiet.

Wer tätowiert ist, sollte seine Haut regelmäßig kontrollieren, Sonnenschutz konsequent nutzen und verdächtige Veränderungen frühzeitig ärztlich abklären lassen.

Die Forschung an der Schnittstelle von Körperkunst, Hautphysiologie und Onkologie steht immer noch am Anfang.

Ganz klar und eindeutig ist aber, dass Tätowierungen nicht nur ein kulturelles Phänomen sind, sondern auch ein spannendes Forschungsfeld für die Hautkrebs-Prävention der Zukunft und das weltweit.

Warum aber hat Utah so ein Hautkrebs-Problem? Okay, Salt Lake City liegt hoch. Aber das Ozonloch steht doch über Australien? Wie sieht es als Beispiel auf diesem Kontinent aus? Ach, und Oer-Erkenschwick wird mangels Ruhr-Smok auch nicht mehr vor UV geschützt, wie früher. Just saying! Also bitte eincremen.

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