Pigment-schwarz – was Forscher jetzt über entzündete Tattoos wissen

Pigment-schwarz – was Forscher jetzt über entzündete Tattoos wissen

Tattoos gelten längst als Teil des Mainstreams. Doch ausgerechnet die beliebteste Tätowierfarbe der Welt kann manchmal eine problematische sein. Eine neue Studie der Universität Münster, gemeinsam mit internationalen Partnern aus den Niederlanden und Österreich, zeigt, dass Pigment-schwarz chemisch alles andere als völlig harmlos ist.

Mit modernster Lasertechnik – nein nicht für die Tattooentfernung, sondern Bildgebung und Kartierung – haben die Forschenden untersucht, was in entzündeten schwarzen Tattoos wirklich steckt und wie tief die chemische Komplexität in und unter die Haut reicht.

Das Ergebnis: Selbst „reines Schwarz“ ist selten nur Schwarz.

Für ihre Untersuchung wählten die Forschenden rund um Dr. Carina Wolf, aus der Karst-Gruppe vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie an der Universität Münster, 21 Haut-Biopsien von Patientinnen und Patienten, die entzündliche Reaktionen auf ihre schwarzen Tätowierungen zeigten.

Statt klassischer Allergietests oder chemischer Analysen kamen hier zwei Hightech-Verfahren aus der Laser-Analytik zum Einsatz:

LDI-TIMS-MS (Laser Desorption/Ionisation Trapped Ion Mobility Spectrometry – Massenspektrometrie)

→ erfasst molekulare Bestandteile wie Pigmente und Weichmacher direkt in der Haut.

LA-ICP-TOFMS (Laser Ablation Inductively Coupled Plasma – Time of Flight Mass Spectrometry)

→ analysiert metallische Elemente und Verunreinigungen punktgenau.

Klingt kompliziert? Ist es auch. Aber genau diese Kombination erlaubt erstmals ein multimodales chemisches Hautbild, das zeigt, welche Stoffe und Metalle dort sitzen, wo die Haut rebelliert.

Wer die Studie mal im Original lesen möchte, findet sie hier im Talanta. Einer wissenschaftlichen Zeitschrift, die seit 1958 für alle Bereiche der analytischen Chemie im Elsevier Verlag veröffentlicht wird:

Multimodale laserbasierte Bildgebungsverfahren zur Untersuchung von unerwünschten Hautreaktionen auf schwarze Tätowierungen auf elementarer und molekularer Ebene

Carina Wolf, Steffen Heuckeroth, Sebastiaan van der Bent, Raquel Gonzalez de Vega,
Wietske den Hartog, David Clases, Uwe Karst,
Multimodal laser-based imaging methods for the investigation of adverse skin reactions to black tattoos at an elemental and molecular level.
Talanta,Volume 299, 2026, 129050, ISSN 0039-9140,
DOI: 10.1016/j.talanta.2025.129050

Es klingt zwar wie ein Karl May Bestseller, ist es aber nicht. Die Forscherinnen und Forscher rund um Dr. Carina Wolf fanden in 20 von 21 Fällen das, was in fast allen schwarzen Tätowierfarben steckt.

Carbon Black (Ruß-Pigment, CI 77266), ein ultrafeines, meist aus unvollständiger Verbrennung hergestelltes Nano-Material.

Carbon Black ist chemisch gesehen stabil, biologisch aber nicht ganz unauffällig. Es kann reaktive Sauerstoffspezies (ROS) erzeugen, die entzündliche Prozesse anheizen können.

Und genau das scheint bei vielen der an der Uni-Münster untersuchten Hautreaktionen und ihren Biopsien eine Rolle zu spielen.

Doch damit nicht genug. Die Analysen zeigten den Forschenden, dass viele schwarze Tattoos gar nicht nur aus Carbon Black bestehen.

In mehreren Fällen fanden sich Spuren farbiger Pigmente wie Pigment Blue 15 (Kupferphthalocyanin) und Pigment Red 170 (Naphthol-AS-Derivat/ AZO-Pigment), also klassische in Wasser praktisch unlösliche Feststoffe, die wir vor allen Dingen aus bunten Tattoo-Motiven kennen.

Ob sie durch absichtliche Mischung oder unbeabsichtigte Kontamination in die Haut gelangten, blieb für die Forschenden offen. Gesehen haben sie diese „Verunreinigung“ aber.

Pigmentologie ist soooo wichtig!! 50-Shades of Blacky-di-BlackBlack und willkommen zudem auch Titandioxid oder Eisenoxid-schwarz.

Besonders spannend (und ein bisschen gruselig) ist, dass das Forscher-Team um Carina in rund der Hälfte der untersuchten Hautproben Phthalate wie Diethylhexylphthalat (DEHP) oder Dibutylphthalat (DBP) als Verunreinigungen entdeckten.

Weichmacher, die aus Kunststoffen oder Verpackungen stammen und in Tätowierfarben eigentlich nicht wirklich schön sind.

Slowenien hatte btw. mit seiner Harmful Beauty Studie im Juni 2025 schon die Erkenntnis dazu versprüht.

Phthalate sind bekannte Umweltkontaminanten und stehen im Verdacht, hormonell wirksam zu sein.

Ob sie tatsächlich mit den in der Münster-Studie vorliegenden nichtinfektiösen Hautreaktionen in Verbindung stehen, bleibt zwar unklar aber allein ihre Präsenz im tätowierten Hautgewebe zeigt, wie wenig kontrolliert die chemische Zusammensetzung vieler Tätowierfarben aber auch der Tattoo-Werkzeuge noch ist.

Auch metallische Verunreinigungen traten auf. Titan, Chrom, Zinn, Antimon, Blei oder Zirkonium konnten punktuell nachgewiesen werden.

Ja, wir mussten auch erstmal googeln und Michl fragen.

Zirkonium (Zr) ist ein silber-weißes, korrosions-beständiges Schwermetall dessen biologische Funktion nicht bekannt ist. Man verwendet es wohl vor allen Dingen in der Nuklear- und Chemie-Industrie für die Herstellung von Hüllen für Kernbrennstoffe oder bei der Produktion von Feuerwerkskörpern.

Was Zirkonium in Tätowierfarben macht, entzieht sich bisher leider unserer Kenntnis. Es wird aber von Carina und ihren Mitforschenden durch seine enge Verwandtschaft mit den gefundenen Titandioxid-Ablagerungen nicht überraschend in Verbindung gebracht. Hier ist es laut Tattoo-REACH auch ok, allerdings fernab von TiO2 RAPEX-tauglich.

All diese erwähnten Elemente stammen entweder aus Pigmentpartikeln (z. B. Titandioxid/ Pigment-weiß als z.B. Aufheller) oder aus unbeabsichtigten Produktionsrückständen.

Besonders auffällig war, dass Chrom und Titan häufig gemeinsam auftraten. Ein Hinweis auf Pigmentmischungen oder Verunreinigungen.

Ein zentrales Ergebnis dieser Münsteraner Blackwork-Studie ist die Erkenntnis, dass viele Reaktionen auf schwarze Tätowierfarbe nicht allergisch, sondern entzündlich-granulomatös sind.

Das bedeutet, dass der Körper auf eingekapselte Fremdpartikel wie etwa Carbon Black oder Metall-Oxide mit einer chronischen Immunantwort, ähnlich wie bei Sarkoidose, einer systemischen Entzündungserkrankung reagiert.

In den Gewebeproben fanden sich sogenannte Granulome, also kleine Knötchen aus Immunzellen, die sich um Pigmentklumpen bilden.

Interessanterweise traten diese Symptome teils erst Jahre oder Jahrzehnte nach dem Stechen des Blackwork Tattoos auf.

Das stützt die Annahme, dass Pigment-Aggregation, oxidative Prozesse oder individuelle genetische Faktoren entscheidender sein könnten als ein klassisches „Allergen“.

Das Besondere an der Arbeit von Carina & Co. ist, dass hierbei molekulare und elementare Laserbildgebungsverfahren kombiniert wurden, um die chemischen und strukturellen Ursachen von Tattoo-Reaktionen sichtbar zu machen.

Die Forschenden konnten Pigmentverteilungen in der Haut punktgenau mit Entzündungszonen in Verbindung bringen. Beeindruckende Bilder! Daher unbedingt mal das Studien-Paper (oben) anklicken.

Es ist aber vor allen Dingen ein weiterer wichtiger Schritt, um künftig zu verstehen, welche Stoffe in welchen Zellen landen und wie sie dort wirken.

Die eingesetzten Laser-Imaging-Techniken, ursprünglich aus der Material- und Umweltanalytik stammend, könnten künftig auch in der klinischen Diagnostik von Tattoo-Komplikationen oder bei der Tattooentfernung an Bedeutung gewinnen.

Insbesondere, um problematische Pigmente vor einer Laserbehandlung zu identifizieren.

Warum die Vergehensweise und Erkenntnisse aus der Uni-Münster nicht nur für Tattoo-Forscher, sondern auch für Laseranwender und Tattoo-Kunden spannend ist?

Na, diese Studie zum Tattoo-Blackwork zeigt eindrucksvoll, wie komplex die chemische Realität in und unter tätowierter Haut tatsächlich ist.

Für Laseranwender bedeutet das, wer Tattoos mittels Laser entfernt, arbeitet mit chemisch höchst unterschiedlichen Materialien, die bei der Lasertherapie völlig verschieden reagieren können.

Carbon Black ist zwar Lasers Liebling und kann unter ultrakurzen Lichtimpulsen stark fragmentieren aber andere enthaltene Pigmente können reaktive Nebenprodukte bilden oder Metallionen freisetzen.

Deshalb ist es umso wichtiger, vor jeder Laserbehandlung eine möglichst professionelle Haut- und Pigmentanalyse durchzuführen, um pigmentbedingte Risiken zu erkennen. Die Recherche dazu ist schwer. Wir wissen das. Aber sie ist möglich und hilft.

Und wer jetzt denkt „Ich hab ja nur ein schwarzes Tattoo. Was soll da schon passieren?“, der sollte wissen, dass ein Blackwork-Tattoo nicht nur aus Carbon-Black bestehen muss.

Oder, wie man in der Tattoo-Forschung nun sagen würde: „Auch Carbon Black kommt selten alleine“.

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