Tattoos around the world. Das Ranking des buntesten Planeten im Universum, dürften wir wohl anführen. Doch mit der steigenden Popularität der gestochenen Körperverzierung wächst auch die Frage danach, welche gesundheitlichen Risiken Tattoos und Permanent Make-up (PMU) zum Beispiel für Herz und Leber langfristig bergen könnten?
Eine aktuelle Untersuchung der LIFE Adult-Studie an der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Berlin liefert nun interessante Hinweise.
Die Ergebnisse zeigen, dass Tätowierungen nicht nur lokale Hautreaktionen, sondern auch systemische Effekte haben können. Insbesondere im Bereich von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Lebergesundheit. Aber sind die überhaupt signifikant?
Was ist die LIFE Adult-Studie?
LIFE ist das Akronym für Leipziger Forschungszentrum für Zivilisations-Erkrankungen. Adult steht für Teilnehmer im Alter von mindest 18 Jahren. Sie ist eine groß angelegte Bevölkerungsstudie (bzw. eine regional bevölkerungsbasierte Kohorten-Studie) der Universität Leipzig, die schon seit 2011 läuft.
Ziel ist es dabei, die Ursachen und Risikofaktoren von Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Hepatitis, Krebs oder neurologischen Störungen besser zu verstehen.
Dafür wurden rund 10.000 zufällig ausgewählte Leipzigerinnen und Leipziger zwischen 18 und 79 Jahren umfassend untersucht. Von medizinischen Tests über Blutproben bis hin zu Fragebögen über den jeweiligen individuellen Lebenstil.
Die so entstandene Datenbasis zählt zu den umfangreichsten Gesundheitsstudien in Deutschland und ermöglicht es, Zusammenhänge zwischen Umwelt, Lebensweise und chronischen Krankheiten (in Ostdeutschland) systematisch zu analysieren.
Die Untersuchung zu Tattoos und Permanent Make-up ist dabei ein Teilprojekt, das neue Einblicke in mögliche gesundheitliche Langzeitfolgen von Körperkunst liefert. Der Datenerhebungszeitraum, speziell für den Tätowierungsfragebogen, begann am Mitte 2018 und endete am Ende 2020.
Wer die Studie mal im Original lesen möchte findet sie hier:
Theune LE, Ghoreishi N, Weikert C, Müller-Graf C, Engel C, Wirkner K, Baber R, Laux P, Luch A, Giulbudagian M. Characteristics of a tattooed population and a possible role of tattoos as a risk factor for chronic diseases: Results from the LIFE-Adult-Study. PLoS One. 2025 Sep 9;20(9):e0319229. DOI: 10.1371/journal.pone.0319229. PMID: 40924708; PMCID: PMC12419626.
LIFE Adult-Studien-Design: So wurde geforscht
Für die Tattoo/PMU-Analyse wurden 5.000 Personen (tätowiert und nicht-tätowiert) mit einem Tattoo-Fragebogen angeschrieben. Geantwortet haben daraufhin 4.308 (Studien Teilnehmer). Davon hatten 201 (4,7 %) ein Tattoo, 135 (3,1%) ein PMU und 14 (0,3%) davon beides.
Zum Vergleich: In der Allgemeinbevölkerung liegt die Tattoo-Prävalenz zwischen 10 bis 20 %. Die niedrigere Zahl der bunten Leipziger in dieser Studie erklärt sich wohl unter anderem durch den höheren Altersdurchschnitt der Kohorte.
Unter den tätowierten Teilnehmern waren 97 (48 %) Männer und 104 (52 %) Frauen, während bei PMU die Mehrheit von 129 (96 %) Frauen waren. (Anm.: Wer von Euch Jungs hat sich da PMU stechen lassen?)
Erfasst wurden bei den 201 Tattoos und PMU detaillierte Informationen zu Alter, Größe, Farbgebung, Körperstellen der Tätowierung und mögliche Beschwerden.
Darunter befanden sich auch Tätowierungen, die noch zu DDR-Zeiten und vor dem Mauerfall gestochen wurden.
Zusätzlich wurden medizinische Daten wie Herz-Biomarker und Leberwerte erhoben.
(Anm.: Bitte nicht fragen, warum diese Zahlen hier von denen im Abstract abweichen. Keene Ahnung! Wir lassen uns gerne belehren. Zitat: (…)“Von 4.248 Teilnehmern hatten 7,4 % (n = 320) entweder eine Tätowierung (4,7 %; n = 199) oder Permanent Make-up (3,1 %; n = 135) oder beides (n = 14). (…)“ Das wären in Summe dann n = 348 Bunte und nicht 320, die nach % hier aber nur n = 314 wären. Die n-Werte stimmen teils nicht und eine Prozentangabe fehlt gänzlich. 10 haben sie aus der Analyse aber wohl ausgeschlossen, weil diese nicht mehr genau wussten, seit wann sie ihre Tätowierung haben.)
Was Tattoos im Körper laut LIFE Adult-Studie und Selbstauskunft auslösen können
1. Akute und lokale Komplikationen
Von den Tätowierten berichteten 5 % über direkte Beschwerden im Zusammenhang mit ihrem Tattoo oder PMU. Dazu zählten Juckreiz, Schmerzen oder Schwellungen, Infektionen und Herpesausbrüche (insbesondere nach PMU an den Lippen > ach was!?). Auch allergische Reaktionen, vor allem bei roten Pigmenten und Vernarbungen oder Hautirritationen hat man gefunden.
Besonders auffällig war, dass schwarze Tätowierungen (Blackwork) überproportional oft mit lokalen Reaktionen verbunden zu sein schienen. (Anm.: Sehr merkwürdig, machen schwarze Tätowierungen doch in der Regel am wenigsten Probleme!?)
2. Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Ergebnisse der LIFE Adult-Studie zeigt, dass das Thema Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei tätowierten Menschen differenziert betrachtet werden muss.
Die Verbreitung eines Herzinfarkts lag bei den tätowierten Teilnehmern bei 2,5 Prozent, während sie in der nicht-tätowierten Kontrollgruppe bei 3,0 Prozent lag.
Bemerkenswert ist, dass zwischen dem Zeitpunkt der Tätowierung und dem ersten Herzinfarkt im Durchschnitt mehr als 30 Jahre lagen. Mindestens jedoch 8 Jahre.
Auch bei der Herzinsuffizienz waren die Unterschiede marginal. 4,0 Prozent der Tätowierten berichteten von einer entsprechenden Diagnose, gegenüber 4,1 Prozent der Nicht-Tätowierten.
Das mediane Alter beim ersten kardiologischen Ereignis lag bei Tätowierten mit 61 Jahren leicht höher als bei den Nicht-Tätowierten, die im Schnitt mit 59,5 Jahren betroffen waren.
Auffällig ist zudem, dass fast alle Betroffenen weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Vorhofflimmern oder Herzrhythmusstörungen aufwiesen.
In der statistischen Auswertung ergab sich für tätowierte Teilnehmer dennoch ein leicht erhöhtes relatives Risiko (RR = 1,2; 95 %-Konfidenzintervall 0,7–2,1) für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Anteile aktueller und ehemaliger Raucher unter den Tätowierten waren übrigens im Allgemeinen höher als in der gesamten LIFE-Kohorte.
Da die Angaben ausschließlich auf Selbstauskünften beruhen und nicht ärztlich validiert wurden, sind die Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren, sollen aber natürlich Hinweise für zukünftige Studien liefern.
(Anm.: Sorry, wir lesen nur: „Bischde dädöwiert, erläbscht schomma een Wihnachte mehra, nu!“)
3. Lebertoxizität
Auch die Leber stand im Fokus der Untersuchung. Gemessen wurden die Enzyme ALT, AST und GGT, was typische Marker für Leberzellschädigungen sind.
11,3 % der Tätowierten (23/203) hatten erhöhte Leberwerte, verglichen mit 10 % der Kontrollgruppe (382/ 3.944). (Anm.: 1,3%! Wie nennt man das? NICHT signifikant!)
Bei Männern zeigte sich ein deutlich erhöhtes Risiko, bei Frauen hingegen sogar ein eher protektiver Effekt.
Ein plausibler Mechanismus als Begründung soll sein, dass Pigmente aus der Tattoo-Farbe über das Blut in die Leber transportiert werden und dort die körpereigenen Fresszellen (Kupffer-Zellen) belasten können.
(Anm.: Tierstudien haben diesen Vorgang zwar mal bestätigt aber uns fehlt hierzu auch die Einordnung zu Lebenstil und Ernährung (Alkoholkonsum)).
4. Krebsrisiken und Tattoo
Immer wieder wird diskutiert, ob Tattoo-Farben das Risiko für Hautkrebs oder Lymphome erhöhen.
In der LIFE Adult-Studie fanden sich zwar einige Fälle von nicht-melanozytärem Hautkrebs (Basaliome und Spinaliome), jedoch nicht direkt an der Tattoo-Stelle.
Melanome wurden in der Kohorte nicht beobachtet.
Das bedeutet, dass kein klarer Zusammenhang zwischen Tattoos und Krebs-Risiko bestätigt werden konnte. Also auch hier mal wieder Good News!! Allerdings bleibt die Datenlage aufgrund der geringen Fallzahlen unsicher.
Bedeutung für Verbraucherinnen und Verbraucher
Die Ergebnisse sind kein Anlass zur Panik aber mal wieder ein Weckruf. Tattoos sind nicht automatisch gefährlich, doch sie sind auch keine oberflächliche Hautkunst. Farbpigmente und Abbauprodukte können in den Organismus gelangen und dort möglicherweise langfristig Schaden anrichten.
Viele Tätowierfarben und Pigmente enthalten problematische Substanzen, die bislang nur unzureichend reguliert sind.
Für die Praxis heißt das: Wer sich tätowieren lässt, sollte sich über die Qualität der Tattoo Inks, die Hygienestandards des Studios und die möglichen Langzeitfolgen, Risiken und Nebenwirkungen bewusst sein. (Anm.: Danke LIFE. Darauf weisst die Branche bereits seit über 20 Jahren hin!)
Fazit zur LIFE Adult Tattoo-Forschung: Was noch geklärt werden muss
Die LIFE Adult-Studie ist sicherlich mal wieder einer der aktuell an verschiedensten Stellen produzierte Baustein im Bereich der internationalen Tattoo-Forschung, hat aber auch echte Limitationen. Sie möchte aufzeigen, dass Tätowierungen und Permanent Make-up mehr als bunte Hautverzierungen sind.
Dabei ist hier nicht nur die Anzahl der tätowierten und pigmentierten Teilnehmer leider ziemlich mickrig, sondern versucht man zum Beispiel eine Herleitung zwischen PMU und daraus beeinflusster Herzgesundheit zu provozieren.
Viele Daten basieren auf Selbstauskunft, nicht auf ärztlichen Diagnosen. Kausale Zusammenhänge konnten im Bereich Tattoo und PMU zudem nicht bewiesen werden. Eine Studie innerhalb einer Studie ist immer schwierig, da es einen adäquaten Fragenkatalog und somit notwendige Informationen stark einschränkt.
Daher fordern die Autorinnen und Autoren natürlich auch hier weitere, größere Langzeitstudien (jaahaa), um die systemischen Risiken von Tätowierfarben besser zu verstehen.
Aus unserer Sicht kann man nur hoffen, dass die Presse keine gepfefferte Headline dazu produziert und diese (wir lassen das Adjektiv mal weg) Studie in den digitalen Äther treibt.
PLOS ONE kennen wir schon als Open-Access Plattform mit seinem Impact-Faktor von 3.752 (THE LANCET 88.5). Sie ist eine renommierte, von Experten begutachtete multidisziplinäre Fachzeitschrift, die für ihre strengen redaktionellen und Peer-Review Protokolle bekannt ist, warum wir einiges hier nicht verstehen.
Meinungen darf sich hierzu aber natürlich jeder selber stellen.
Kurzportrait zu Dr. rer. nat. Michael Giulbudagian
Michael Giulbudagian ist Wissenschaftler am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin, Abteilung 7, Chemikalien- und Produktsicherheit, geleitet von Herrn Prof. Dr. Dr. Andreas Luch.
Hier befindet sich aus das Studienzentrum Dermatoxikologie, wo man Dr. Ines Schreiver und Dr. Katherina Siewert findet, die sich alle mit den gesundheitlichen Risiken von Tattoos, Pigmenten und Kosmetika beschäftigen.
In der LIFE Adult-Studie übernahm Michael zentrale Aufgaben in der Projektkoordination, Methodik und Supervision. Er ist zudem Ko-Autor einiger lesenswerten wissenschaftlichen Publikationen.
Darunter auch der viel beachtete Übersichtsartikel „Lehren aus einem Jahrzehnt: Medizinisch-toxikologische Sicht auf das Tätowieren“ (2024), den zahlreiche Mediziner und Wissenschaftler aus unserer Tattoo-Science & Research Bubble mit verfasst haben.