Wenn Hautkunst zum Streitfall wird: Fauve Lex, die Tattoo-Sachverständige

Wenn Hautkunst zum Streitfall wird: Fauve Lex, die Tattoo-Sachverständige

Tattoo-Artist Fauve Lex gehört zu den wenigen Persönlichkeiten in der bunten Tattoo-Szene, die Kunst, Handwerk und fachliche Gutachter-Kompetenz vereinen. Als erfahrene und professionelle Tätowiererin versteht sie es, künstlerische Visionen in präzise Hautkunst zu verwandeln. Gleichzeitig arbeitet sie als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Tätowierungen (oder kurz: Tattoo-Sachverständige). Eine mehr als nützliche Schnittstelle, an der sich kreative Leidenschaft und harte Fakten begegnen. Vor allen Dingen für potenziell Geschädigte.


Im Gespräch mit DocTattooentfernung sprechen wir über Fauves Werdegang, ihre Arbeitsweise und darüber, wie sie Menschen unterstützt, wenn Tattoos nicht so gelingen, wie erhofft und bestellt.

Ich komme ursprünglich aus der klassischen Kunst-Zeichnung, Malerei und auch aus dem Make-up Bereich. Kreativität war schon immer mein Zuhause. Tattoos haben mich zwar schon immer fasziniert und ich war selbst schon stark tätowiert, aber der Gedanke selbst zur Nadel zu greifen, kam erst später. Im Make-up Bereich war mein Aussehen eher ein Kreativitätsstempel: „Wer auffällig tätowiert war, galt schnell als besonders künstlerisch.“

Spannender Weise war es nicht mein eigener Plan, Tätowiererin zu werden. Es waren Menschen in meinem Umfeld, die früher an mich geglaubt haben als ich selbst. 2017 haben mich Freunde regelrecht überredet, es einfach mal zu versuchen. Aus diesem „einfach probieren“ ist dann das geworden, was ich heute bin. Gott sei Dank, denn inzwischen weiß ich, dass es genau der richtige Schritt war. Ich kann meine künstlerische und meine empathische Seite hier voll ausleben.

Mein Stil liegt klar im Sketch und Fine Art Bereich. Ich liebe es, wenn Linien roh, skizzenhaft und lebendig wirken, nicht steril oder künstlich geglättet. Meine Motive sind oft emotionale Frauenporträts, mythologische Figuren oder Tiere, die Stärke und Zerbrechlichkeit zugleich ausdrücken. Ich versuche immer, diese Gegensätze spürbar zu machen. Wild und frei, aber auch verletzlich und nahbar.

Mit der Zeit habe ich den Stil immer stärker verfeinert, indem ich meine klassische Kunst und Malerei einfließen ließ. Heute erkennt man meine Arbeiten sofort wieder. Sie sind expressiv, haben eine starke Handschrift, aber lassen immer Raum für Interpretation und Emotion.

Der Auslöser war tatsächlich etwas Frustrierendes. Immer mehr meiner eigenen Motive wurden einfach kopiert und von anderen Artists umgesetzt. Das hat mich dazu gebracht, mich intensiver damit zu beschäftigen, wo Tätowierer rechtlich eigentlich stehen und welche Möglichkeiten es überhaupt gibt, solche Dinge zu bewerten. Dabei bin ich darauf gestoßen, dass es Sachverständige für Tätowierungen gibt. Eine absolute Seltenheit, aber eine Option, die mich sofort fasziniert hat.

Also habe ich angefangen zu recherchieren, wie man überhaupt Sachverständige wird. Mir war schnell klar, dass ich durch meinen Background einiges mitbringe. Zehn Jahre Erfahrung als Make-up-Artist, enge Arbeit mit Haut, dermatologische Kenntnisse. Das alles ist für die Beurteilung von Tattoos extrem hilfreich. Ich erkenne Hauttypen sehr genau, kann Wundheilung einschätzen und weiß, welche Faktoren Einfluss auf das Ergebnis haben.

Dazu kommt meine eigene Art. Ich bin von Natur aus neugierig und gehe bei meinen Recherchen immer tiefer als notwendig, weil ich meinen Kunden fundierte Antworten geben möchte.

Ein Beispiel: Eine Kundin hat mich einmal gefragt, ob eine Melaninstörung (Hyperpigmentierung) durch schwarzes Henna ein Problem für ein Tattoo darstellt. Vorher war mir das nie begegnet. Aber durch die Auseinandersetzung habe ich gelernt, dass schwarzes Henna viele Ersatzstoffe enthält, die Hautveränderungen auslösen können. Solches Wissen fließt jetzt automatisch in meine Arbeit ein.

Mich begeistert daran, dass dieser Beruf so umfassend ist. Er verbindet Kunst, Handwerk, Hautkunde und Recht. Und dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, in dieser Branche als Sachverständige zu arbeiten, empfinde ich als absolute Bereicherung.

Das Spektrum ist groß. Viele Fälle drehen sich um handwerkliche Mängel wie unsaubere Linien, ungleichmäßige Schattierungen oder Farbverlust. Es gibt aber auch Fälle mit medizinischen Komplikationen wie Infektionen, Narbenbildung oder allergischen Reaktionen. Da ist es wichtig, nicht nur das Tattoo an sich zu bewerten, sondern auch das nötige Background-Wissen einzubringen. Woher kommt zum Beispiel eine Entzündung? Ist sie direkt durch das Tattoostechen entstanden oder erst später im Heilungsprozess bei der Wundversorgung? Solche Unterscheidungen sind entscheidend für die Beurteilung.

Nicht selten kommt es auch zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Dabei ist meine Aufgabe nicht, juristisch zu urteilen. Das ist und bleibt Sache der Anwälte. Ich sehe meine Rolle eher darin, den Branchenalltag für Außenstehende erklärlich zu machen.

Ein Beispiel: Ist es im Studioalltag üblich, dass Kunden eine Stencil-Vorlage bzw. den Motiv-Entwurf vorher freigeben und unterschreiben? Wie läuft eine Einverständniserklärung normalerweise ab? Solche Fragen kann ich als Sachverständige mit meinem Fachwissen aus der Praxis beantworten. Ob ein Dokument am Ende juristisch Bestand hat, das liegt wiederum beim Gericht oder dem Anwalt. Aber meine Einschätzung hilft, den Kontext aus Branchensicht klar darzustellen.

Grundsätzlich gibt es zwei Wege, wie man sich an mich wendet. Entweder direkt als Privatperson oder über ein Gericht. Privatpersonen kommen meistens mit sehr persönlichen Anliegen. Da geht es nicht nur um ein Tattoo, sondern oft um eine emotionale Belastung. Ich versuche auch hier, einen professionellen Rahmen zu halten. Aber man merkt sofort, dass es Betroffenen sehr nahegeht. Bei Gerichtsgutachten ist es sachlicher und klarer strukturiert, da folge ich den vom Gericht gestellten Fragen.

Im Kern läuft es aber ähnlich ab. Zuerst muss man den Streitpunkt klar definieren. Was wird überhaupt genau bestritten? Dann sehe ich mir die Tätowierung an. In manchen Fällen reichen Fotos. In anderen bitte ich die Person ins Studio. Besonders wenn es um heikle Themen wie Vernarbungen geht. Da muss man differenzieren. Entstand die Vernarbung als Beispiel vielleicht durch eine unerkannte Histamin-Intoleranz? Also ein Problem in der Wundheilung durch eine Überreaktion des Immunsystems? Oder liegt die Ursache eher im Ablauf des Tätowiervorgangs? Solche Dinge lassen sich oft nur im direkten Gespräch, umfangreicher Recherche und mit genauer Begutachtung klären.

Gerade bei Privatgutachten gebe ich manchmal auch „Hausaufgaben“ mit. Zum Beispiel: „Lass beim Dermatologen einen Allergietest machen“ oder „Hole Dir eine Einschätzung zu Deinem Hautbild.“ Das ist ein Ausschlussverfahren, das hilft, Ursachen besser einzugrenzen.

Ganz egal, ob privat oder gerichtlich. Das A und O ist immer eine saubere Dokumentation. Je klarer, ehrlicher und deutlicher Gesprächsverläufe, Einverständniserklärungen, Fotos oder Heilungsverläufe vorliegen, desto adäquater lässt sich der Fall rekonstruieren. Das eigentliche Gutachten ist dann in beiden Fällen ähnlich aufgebaut. Grundlage sind die Deutschen Gutachtenstandards, die durch Gesetze, wie dem BGB und Normen geregelt sind. Berücksichtigt werden dabei meine Unparteilichkeit, eine klare Nachvollziehbarkeit, Transparenz und eine klare logische Struktur, die vorgeschrieben ist. Am Ende ist entscheidend, dass ich ein möglichst vollständiges Bild bekomme vom Arbeitsablauf, vom Hautbild, vom Tattoo selbst und, wenn möglich, auch von der Originalvorlage.

Das hängt davon ab, ob es sich um ein Privatgutachten oder ein Gerichtsgutachten handelt. Bei Privatgutachten reicht eine direkte Beauftragung durch die betroffene Person oder deren Anwalt. Bei Gerichtsgutachten läuft es über einen offiziellen Beweisbeschluss. In beiden Fällen definiert man klar, welche Fragen beantwortet werden sollen. Das ist entscheidend dafür, wie ausführlich und umfangreich das Gutachten am Ende ausfällt. Ob ein handwerklicher Mangel auch wirklich rechtlich durchsetzbar ist, hängt stark vom Einzelfall ab.

Eine sehr große Rolle. Tattoos sind letztlich Eingriffe in die Haut und damit immer auch ein medizinisches Thema. Infektionen, allergische Reaktionen oder Wundheilungsstörungen spielen regelmäßig eine Rolle und müssen bei jeder Begutachtung berücksichtigt werden.

Ein Beispiel, das oft unterschätzt wird, ist zum Beispiel eine Lipödem-Erkrankungen. Vielen Kunden ist gar nicht bewusst, dass auch solche Diagnosen oder sogar nur ein Verdacht auf Lipödem zur Aufklärung gehören. Denn ein Lipödem beeinflusst das Hautbild und kann später durch operative Eingriffe dazu führen, dass eine Tätowierung im Gesamtbild verzerrt oder verschoben wirkt. Das bedeutet: Wer ein Tattoo plant, sollte solche Faktoren mit dem Tätowierer offen besprechen, und für mich als Sachverständige sind sie ebenfalls relevant, um den gesamten Fall richtig einschätzen zu können.

Genau dieses „um die Ecke denken“ macht das Berufsbild so spannend. Man braucht ein breites Wissen, das weit über das Handwerk hinausgeht. Von dermatologischen Besonderheiten bis hin zu Erkrankungen, die indirekt Einfluss auf ein Tattoo nehmen können. Dieses Zusammenspiel aus Kunst, Hautkunde und medizinischem Verständnis macht es möglich, Kunden wirklich bestmöglich zu betreuen. Sei es im Studio oder später in der Begutachtung durch den Sachverständigen.

Man kann schon mit dem bloßen Auge viel erkennen, auch ohne Hygienebeauftragter zu sein. Ein Studio muss nicht modern und hochglanzpoliert sein, um hygienisch zu arbeiten. Genauso wenig heißt ein älteres oder „gruseligeres“ Ambiente automatisch, dass es unsauber ist. Hier sollte man unbedingt auf sein Bauchgefühl hören. Fühle ich mich dort als Person wirklich wohl? Das ist ein wichtiger Gradmesser.

Ein zweiter Punkt ist die Empfehlung durch Freunde. Nur weil der beste Kumpel schwört, dass ein bestimmter Tätowierer „der Beste in der Stadt“ ist, muss das nicht heißen, dass er auch für dich passt. Der angebotene Tattoo-Stil ist entscheidend. Wer ein realistisches Tattoo will, sollte zu einem Tattoo-Artist gehen, der sich auf Realistic-Tattoos spezialisiert hat. Nicht zu einem, der für seine Oldschool Tattoo-Motive bekannt ist. Empfehlungen sind nur dann sinnvoll, wenn sie auch der Stil-Richtung entsprechend ausgesprochen werden.

Auch das Thema Preis sollte man differenziert betrachten. Niedrige Preise sind nicht automatisch ein Zeichen für schlechte Qualität. Manche Tattoo-Artists bieten ihr Arbeiten günstiger an, weil sie ihr Portfolio in einem speziellen Stil erweitern wollen oder als Gast-Artist ihre Termine füllen müssen. Trotzdem gilt: Preis ist kein Qualitätsgarant! Entscheidend ist das Portfolio.

Ein weiteres Thema sind sogenannte Wanna-Dos (WD/ want-to-do/ möchte machen). Viele Tätowierer entwerfen Vorlagen auf Vorrat, um in einem bestimmten Stil zu wachsen. Gerade heute, wo KI-Bilder einfließen, sind manche Motive extrem komplex. Das bedeutet nicht, dass das Tattoo am Ende auch so umgesetzt werden KANN, vor allem, wenn im Portfolio keine vergleichbare Arbeit zu sehen ist. Deshalb: Schaut euch genau an, ob das Wanna-Do zur bisherigen Qualität des Künstlers passt oder ob es „zu schön, um wahr zu sein“ wirkt.

Und zuletzt: Persönlichkeit und Kommunikation. Man muss mit seinem Tätowierer nicht „Best Friends“ werden, aber man sollte sich verstanden fühlen. Wenn sprachliche Barrieren bestehen oder man das Gefühl hat, der Artist hat gar keine Lust auf das Motiv, dann lieber noch ein zweites oder drittes Gespräch führen oder sich einen anderen Tattoo-Artist suchen. Tätowieren bedeutet, oft viele Stunden eng beieinander zu verbringen. Da braucht es ein Mindestmaß an Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Nur dann entsteht eine Atmosphäre, in der man sich wirklich wohlfühlen kann.

Liebe Fauve Lex, mit Dir haben wir eine Expertin kennengelernt, die die Tattoo-Welt aus gleich mehreren Perspektiven beleuchtet.

Als kreative freischaffende Künstlerin mit unverwechselbarer Handschrift und als Sachverständige, die ihr tiefes Wissen über Haut, Handwerk und Recht in die Begutachtung einbringt.

Dein Weg zeigt eindrucksvoll, wie Kreativität und fachliche Präzision ineinandergreifen können. Vor allen Dingen zum Nutzen von Kunden, die sich ein Tattoo wünschen, ebenso wie für jene, die Unterstützung bei problematischen Erfahrungen benötigen.

Damit wird deutlich, dass Tätowierungen weit mehr als nur reine Körperkunst sind. Sie bewegen sich immer auch im Spannungsfeld von Hautgesundheit, Emotion und rechtlicher Relevanz.

Genau hier schlägst Du eine wichtige Brücke zwischen Leidenschaft und Verantwortung, zwischen Ausdruck und Aufklärung.

Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch mit Dir und Deine spannenden Einblicke.

Kontaktdaten:

Tattoo-Artist & Sachverständige für Tätowierungen

The Black Tattoo

Röntgenstraße 10

42719 Solingen

E-Mail: fauve.tattoo@gmail.com

Folgt Fauve gerne hier:


Obwohl die Begriffe im Alltag oft synonym verwendet werden, kann jeder Sachverständige Gutachter sein aber nicht jeder Gutachter automatisch ein Sachverständiger.

Der Hauptunterschied besteht darin, dass ein (öffentlich bestellter und vereidigter) „Sachverständiger“ eine Person mit fundiertem Sachverstand und Fachkenntnis mit Expertise betont, während „Gutachter“ eine Person bezeichnet, die ihre Fachkenntnis zu einem Thema nutzt, um ein formal dokumentiertes Gutachten (eine Bewertung) abzugeben. 

Als Beispiel: Jeder Tätowierer, (am besten > tätowierte) Arzt oder Anwalt kann zum Thema Tattoo Gutachter sein und seine Bewertung aus eigener Erfahrung (Fachkenntnis) abgeben. Knackiger wird es, wenn sich die Tattoo-Sachverständige als ausgewiesene Expertin zu Wort meldet, berät oder sogar prüft.

2 Gedanken zu “Wenn Hautkunst zum Streitfall wird: Fauve Lex, die Tattoo-Sachverständige

  1. Dass es eine Gutachterin für Tätowierungen gibt, ist ja mal wirklich spannend. Vielen Dank für den Hinweis und euer Interview mit Fauve.

    Wenn ich ein Problem mit einem meiner Tattoos hätte, wie erreiche ich Fauve am besten? Kann ich sie einfach anschreiben?

    1. Hallo Angelika,

      danke Dir, dass Du unser Interview mit Fauve gelesen hast und für Deine gute Frage hier.

      Unter dem Interview findest Du ja Fauves Kontaktdaten. Am sinnvollsten wird es sein, wenn Du ihr Dein Tattoo-Problem genau via Email schilderst und ggf. schon ein oder zwei Fotos mit beifügst.

      Viele Grüße.

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