Eine im April 2025 veröffentlichte Studie von Emelie Rietz Liljedahl und dem Team rund um Christel Nielsen aus der Abteilung für Arbeits- und Umweltmedizin, Institut für Labormedizin, Universität Lund bringt mal wieder schwedisches Licht ins Thema: Erhöhen Tattoos das Risiko für Hautkrebs? Konkret geht es in der neuen Fall-Kontroll-Studie um das sogenannte kutane Plattenepithelkarzinom (cSCC oder dt. kPEK).
Tätowierungen sind weiterhin auf dem Prüfstand der Wissenschaft
Ob florale Motive, Symbole, Zitate oder ganze Rückenbilder – Tätowierungen sind mehr als ein rebellisches Statement und längst zum festen Bestandteil der globalen Körperkultur geworden.
Schätzungen zufolge ist in den westlichen Industrieländern etwa jeder Fünfte tätowiert. Tendenz immer noch steigend. Doch mit der zunehmenden Verbreitung bunt gemachter Haut rückt auch die Frage nach möglichen gesundheitlichen Risiken in den Fokus.
Immer wieder wird debattiert, ob Bestandteile von Tätowierfarben, insbesondere bestimmte Pigmente oder Kontaminanten, möglicher Weise krebserregend sein könnten.
Bislang fehlen jedoch belastbare epidemiologische Daten im möglichen Zusammenhang zwischen Tattoos und Hautkrebs.
Einige wenige gesammelte Fallberichte findet man immer mal wieder. Genau hier setzt nun aber das Nielsen-Team durch eine neue, bevölkerungsbasierte Studie in Schweden an.
Die cSCC-Studie: Umfangreich, methodisch solide – aber mit Einschränkungen
Veröffentlicht haben die Forschenden der Universität Lund ihre Erkenntnisse im European Journal of Epidemiology. Eine peer-reviewte medizinische Fachzeitschrift, die mit einem eher niedrigen Impact-Factor im Springer-Verlag erscheint.
Wer das Original mal nachlesen möchte, findet hier den Link zur cSCC-Studie.
Tattoos and cutaneous squamous cell carcinoma: a population-based case-control study.
Liljedahl, E.R., Engfeldt, M., Nielsen, K. et al.. Eur J Epidemiol (2025). DOI: 10.1007/s10654-025-01230-z
Es liegt nun also die weltweit erste große Fall-Kontroll-Studie vor, die sich gezielt mit dem Zusammenhang zwischen Tätowierungen und dem Auftreten eines kutanem Plattenepithelkarzinoms (cSCC) befasst hat.
Was ist überhaupt ein kutanes Plattenepithelkarzinom?
Laut Epidemiologie ist das Plattenepithelkarzinom (PEK bzw. engl. Squamous Cell Carcinoma, SCC) die zweithäufigste Form von Hautkrebs nach dem Basalzellkarzinom. Kutan bedeutet zur Cutis (Haut) gehörend, also cSCC. Es tritt vor allem bei älteren Menschen auf und wird stark mit überhöhter UV-Exposition in Verbindung gebracht.
Diesen bösartigen Hauttumor, der von den spezialisierten Zellen der menschlichen Epidermis (äußere Hautschicht), welche die Hornsubstanz Keratin produzieren, ausgeht, will keiner haben.
Ziel der neuen Lund-Studie war es nun zu klären, ob tätowierte Menschen ein höheres Risiko haben, an cSCC zu erkranken. Dies allerdings auch unabhängig von bekannten Risikofaktoren wie Sonnengewohnheiten oder Hauttyp.
Studiendesign und Methodik der bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie im Kurz-Überblick
- Teilnehmer: Die Studie umfasste insgesamt 1.600 Fälle von cSCC (zwischen 2014 bis 2017) aus dem schwedischen Krebsregister bei Personen im Alter von 20 bis 60 Jahren. Hinzu kamen 4.551 Alters- und Geschlechter gematchte Kontrollpersonen aus dem schwedischen Gesamtbevölkerungsregister.
- Datenerhebung: Die Teilnehmer erhielten im Jahr 2019 umfangreiche Fragebögen, unter anderem zu Tattoos, Rauchen, Sonnenexposition, Hauttyp und soziodemografischen Faktoren.
- Rücklaufquote: 61 % der Erkrankten (1.600 von 2.857 Fällen) und 53 % der Gesunden (4551 von 8587 Kontrollen) haben antwortet. Das ist eine durchaus respektable Beteiligung für eine postalische Erhebung mittels Fragebogen.
Die Wissenschaftler analysierten die Angaben mithilfe logistischer Regressions-Modelle und passten ihre Ergebnisse für zahlreiche mögliche Störfaktoren an. Das zentrale Ergebnis bestätigt das, was die Profi-Gemeinde bereits seit 2013 (1st Conference on Tattoo Safety) in den Äther prustet, die berichtende Zunft aber nur zögerlich in ihre News-Spalten fräsen mag.
Ob Tattoos das Risiko für ein kutanes Plattenepithelkarzinom erhöhen, lautet die Antwort: NEIN!
Die Zahlen überraschten dabei sogar uns. 15,1 % der cSCC-Fälle gaben an, tätowiert zu sein. Dem gegenüber standen 17,6 % Tätowierte in der Kontrollgruppe. Das statistische Risiko, an cSCC zu erkranken, war bei tätowierten Personen also nicht erhöht.
Im Gegenteil! Das Inzidenzratenverhältnis (IRR – Incidence Rate Ratio) lag bei 0,95 (95 %-Konfidenzintervall: 0,78–1,15). Dies bedeutet, dass ein Zusammenhang zwischen Tätowierung und einem höheren Risiko für cSCC nicht nachgewiesen werden konnte.
Oder wie der Forscher sagt:“Ein kausaler Zusammenhang zwischen Tattoos und cSCC konnte nicht festgestellt werden.„
Wichtig: Diese Ergebnisse gelten unabhängig davon, wie groß die tätowierte Hautfläche war oder wie lange das Tattoo bereits in der Haut verweilte.
Was heißt das in Wirklichkeit?
Die Ergebnisse aus dieser schwedischen cSSC-Studie dürften jeden erstmal beruhigen. Gut so! Zumindest auf den ersten Blick. Zum ersten Mal zeigt eine große, methodisch solide Studie, dass Tattoos offenbar kein eigenständiger Risikofaktor für diese Art von Hautkrebs sind.
Das könnte vielen Menschen die Angst nehmen, die sich nach dem Stechen einer Tätowierung Gedanken über langfristige Gesundheitsfolgen machen.
Allerdings gibt die Studie lediglich Auskunft über cSCC. Andere Arten von Hautkrebs, insbesondere das maligne Melanom, wurden in dieser Schweden-Studie nicht untersucht.
Auch mögliche Langzeiteffekte von Pigmenten, die über die Lymphbahnen in den Körper verfügbar werden, bleiben weiterhin unklar.
Frühere toxikologische Studien hatten darauf hingewiesen, dass einzelne Bestandteile von Tätowierfarben, wie aromatische Amine oder Schwermetalle, zumindest im Tierversuch möglicherweise krebserregend wirken können.
Grenzen der cSCC-Studie: Was bleibt offen?
Auch wenn die cSCC-Studie hier richtungsweisend ist, gibt es methodische Einschränkungen:
- Selbstauskunft der Teilnehmer: Tattoos und Lebensgewohnheiten wurden per Fragebogen erfasst. Die Forschenden mussten sich also auf die Ehrlichkeit und Erinnerung der Teilnehmer verlassen.
- Keine differenzierte Erhebung der Farbstoffe: Weder Art noch chemische Zusammensetzung der verwendeten Tätowierfarben wurden erfasst.
- Alter der Teilnehmer: Die Studie beschränkte sich auf Personen unter 60 Jahren. cSCC tritt aber häufig erst im höheren Alter auf. Mögliche Spätfolgen blieben somit unberücksichtigt.
- Unklarheit bei Platzierung und UV-Belastung: Es wurde nicht systematisch erfasst, ob die Tätowierungen an besonders UV-exponierten Hautstellen lagen.
- Räumliche Beschränkung: Die Studien-Ergebnisse können nicht so einfach auf andere Länder gespiegelt werden.
Diese Faktoren machen deutlich: Die Studien-Ergebnisse sind ein sehr wichtiges Puzzleteil aber kein endgültiger Freispruch für Tattoos in Bezug auf das Risiko an Hautkrebs zu erkranken.
Fazit: Entwarnung bitte mit Augenmaß
Die neue cSCC-Studie liefert einen wertvollen Beitrag zur Risikobewertung von Tätowierungen und Pigmenten und entkräftet zumindest für das kutane Plattenepithelkarzinom den Verdacht, dass gestochene Hautverzierung direkt krebserregend wirken.
Das ist eine sehr gute Nachricht für Millionen tätowierter Menschen weltweit.
Dennoch gilt: Tattoos sind ein Eingriff in die Haut-Gesundheit und sollten mit derselben Sorgfalt und Aufklärung behandelt werden, wie jede andere Form der Körpermodifikation.
Wer sich für eine Tätowierung oder auch Permanent Make-up entscheidet, sollte auf professionelle Studios, hygienische Bedingungen und REACH-konforme Tätowierfarben achten.
Und nicht zuletzt: Regelmäßige Hautuntersuchungen bleiben Pflicht.
Schütze Deine Haut – ob mit oder ohne Tattoo
Du bist bereits tätowiert oder denkst über ein Tattoo nach? Achte auf professionelle Studios, Qualität, Hygiene, Sonnenschutz und regelmäßige Hautchecks! Früherkennung ist der beste Schutz vor Hautkrebs.
➡️ Unser Tipp: Vereinbare jährlich einen Termin zur Hautkrebsvorsorge. Besonders, wenn Du viele Muttermale oder tätowierte Hautstellen hast.
Termine kannst Du mit unseren Haut-Docs vereinbaren.