Tattoos, Melanome und andere Hautkrebsarten – Neues aus der CRABAT-Studie

Tattoos, Melanome und andere Hautkrebsarten – Neues aus der CRABAT-Studie

Seit Jahren wird in der Öffentlichkeit an verschiedenen Stellen diskutiert, ob Tattoos das Risiko für Melanome und andere Hautkrebsarten erhöhen könnten. Der Verdacht liegt nahe, denn Tätowierfarben enthalten eine Vielzahl potenziell kritischer Stoffe. Von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) über aromatische Amine bis hin zu Schwermetallen wie Nickel, Chrom, Kobalt und Co.. Gleichzeitig verweilen Tattoo-Pigmente teils dauerhaft im Körper und lagert sich nicht nur in der Haut, sondern auch in den drainierenden Lymphknoten ab. Doch bisher war unklar, ob diese Belastung tatsächlich mit einem höheren Hautkrebsrisiko verbunden ist. Die nun veröffentlichten neuen Erkenntnisse aus Frankreichs CRABAT-Studie liefern die bislang robustesten Daten zur Frage, ob Tätowieren das Risiko für Melanome oder andere Hautkrebsarten beeinflussen.

Die neuen Daten stammen aus der von uns schon an anderer Stelle beschriebenen CRABAT-Studie (Cancer Risk Attributable with the Body Art of Tattooing), die innerhalb der großen französischen CONSTANCES-Kohorte durchgeführt wird.

Wer den kürzlich im JOURNAL of the NATIONAL CANCER INSTITUTE, JNCI (Oxford University Press) erschienen Artikel (PDF) mal im Original lesen möchte, findet hier den Link >>

Tattoos and risk of cutaneous melanoma and non-melanoma skin cancer in France.

Mo T, Zins M, Goldberg M, Ribet C, Kab S, Schreiver I, Siewert K, Ezzedine K, Schüz J, Foerster M. J Natl Cancer Inst. 2025 Nov 19:djaf332.
DOI: 10.1093/jnci/djaf332. Epub ahead of print. PMID: 41259064.

Die neuen Daten basieren auf 111.074 (aus 220.000 mit EpiTAT-Fragebogen angeschriebenen) erwachsenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern (18-69 Jahren), wovon 7.553 aus 12.669 Tätowierten vollständig geantwortet haben.

Die Forschenden um Dr. Tingting Mo, von der Abteilung für Umwelt- und Lebensstil-Epidemiologie, der internationalen Agentur für Krebsforschung IARC in Lyon, erfassten dazu die Tattoo-Exposition zwischen 2020 und 2023.

Sie verknüpften diese Angaben dann mit den vollständigen französischen Kranken-Versicherungsdaten, in denen alle behandelten Fälle von Hautkrebs zwischen 2007 und 2021 dokumentiert sind.

Insgesamt wurden 1.789 Hautkrebsfälle identifiziert (1,6%), darunter 693 kutane Melanome (CM) und 1.096 Fälle von nicht-melanozytären Hautkarzinomen (NMSC).

Die reine Tatsache, tätowiert zu sein, ist nicht mit einem erhöhten Risiko für Melanome und andere Hautkrebsarten verbunden.

Weder das Odds Ratio (Stärke eines vermuteten Risikofaktors) für Hautkrebs der Querschnittsanalyse noch das Hazard Ratio (relatives Risiko) zeigten Hinweise darauf, dass Tätowierte häufiger an Melanomen oder Non-Melanoma Skin Cancer (NMSC) erkranken.

Die 15-Jahres-Inzidenz war bei nicht tätowierten Teilnehmern sogar 2 bis 3 mal höher als bei tätowierten Teilnehmern.

Besonders interessant ist, dass selbst bei großen tätowierten Hautflächen kein Anstieg des Risikos erkennbar war. In der Gruppe mit einer tätowierten Fläche von mehr als zwei Handflächen wurde sogar ein geringeres Risiko beobachtet.

Allerdings basiert dieses Ergebnis auf lediglich zwei Fällen und ist statistisch nicht signifikant. Also nicht belastbar. Die Forschenden betonen, dass dieser scheinbar schützende Effekt keinesfalls überinterpretiert werden sollte.

Die Autorinnen und Autoren, wozu übrigens auch unsere deutschen Dermatoxikologinnen Dr. Ines Schreiver und Dr. Katherina Siewert vom BfR gehören, prüfen dazu verschiedene Hypothesen.

Unter anderem einen möglichen UV-Schutz-Effekt durch stark pigmentierte Tätowierungen. Dunkle Tattoo-Farben könnten theoretisch einen Teil der ultravioletten Strahlung absorbieren.

Tiermodelle zeigen tatsächlich, dass schwarze Tattoos UV-induzierte Tumore in Mäusen verzögern können. Doch dieser Mechanismus ist beim Menschen höchstens marginal relevant.

Er würde zudem erst im Erwachsenenalter greifen, während das Melanom maßgeblich durch UV-Exposition in der Kindheit und Jugend geprägt wird.

Ein relevanter Schutzfaktor für die Bevölkerung lässt sich daraus also nicht wirklich ableiten.

Das mutwillige Einbringen von Tätowierfarben und ihren Pigmenten in die Dermis löst eine starke, lokale Immunantwort aus.

In der Theorie könnten dendritische Zellen durch das Gewebe-Trauma Tumor-Antigene aufnehmen und langfristige T-Zell-Antworten stimulieren.

Solche immunologischen Mechanismen sind aus Impfstoff-Forschung und Tumorimmunologie bekannt. Doch auch diese Überlegungen bleiben nur spekulativ und können durch die vorliegenden Daten noch nicht bestätigt werden.

Zum einen standen detaillierte Expositionsdaten nur für rund 60 Prozent der tätowierten Teilnehmenden zur Verfügung.

Diese Selektionsverzerrung könnte dazu geführt haben, dass das tatsächliche Hautkrebsrisiko in bestimmten Gruppen unter- oder überschätzt wird.

Zum anderen wurde die Tattoo-Exposition rückwirkend erfasst, also erst nach vielen der dokumentierten Hautkrebs-Diagnosen. Ein Teil der Analyse basiert deshalb auf modellierten oder imputierten (zusammengerechneten) Zeitpunkten der Tätowierung.

Zudem fehlen Daten zu wichtigen Risikofaktoren wie Sonnencremegebrauch, Solariennutzung oder gar der Tumorlokalisation (Tattoo > Oberarm I Melanom > Unterschenkel).

Die große Sorge, Tattoos könnten das Hautkrebsrisiko spürbar erhöhen, lässt sich nach aktuellem Kenntnisstand aus Frankreich, USA, Schweden und den Niederlanden (immer noch) nicht bestätigen! Wir warten auf NAKO & die Tattoo InK Erkenntnisse aus Deutschland.

Gleichzeitig zeigt auch diese Studie deutlich, dass Tattoo-Pigmente sich langfristig im Körper verteilen und immunologisch aktiv sind.

Auch wenn dies offenbar nicht zu mehr Hautkrebs führt, bedeutet es nicht, dass Tätowierungen risikofrei sind.

Chemische Belastungen, chronische Entzündungen, Reaktionen auf Inhaltsstoffe oder Komplikationen bei der Tattooentfernung bleiben weiterhin wichtige gesundheitliche Themen, die wissenschaftliche Aufmerksamkeit verdienen.

Die Autorinnen und Autoren der CRABAT-Studie plädieren deshalb ausdrücklich für weitere, langfristige Untersuchungen der Kohorte.

Erst prospektive Analysen, bei denen Tattoo-Exposition und Gesundheitsdaten über viele Jahre hinweg systematisch erfasst werden, können endgültig klären, ob Tätowierungen bestimmte Krebs-Risiken beeinflussen.

Die neuen Erkenntnisse aus der CRABAT-Studie zeigen jedoch bereits jetzt, dass großflächige epidemiologische Forschung möglich ist und wertvolle Daten liefert, die die Diskussion um Tattoos und deren Gesundheit auf eine sachliche, wissenschaftliche und medizinische Basis stellen.

Tattoos erhöhen nach aktuellem Wissensstand das Hautkrebsrisiko NICHT!!

Gleichzeitig unterstreicht die CRABAT-Studie auch hier, wie wichtig ein professionelles Hautkrebs-Screening bleibt.

Gerade bei tätowierter Haut, auf der frühe Veränderungen manchmal schwerer zu erkennen sind.

Moderne Dermatoskope und/oder KI-gestützte Screening-Tools werden künftig eine entscheidende Rolle spielen, um pigmentierte Hautareale sicher beurteilen zu können.

Tätowierungen sind auch in Frankreich kein dokumentierter Risikofaktor für Hautkrebs.

Doch Sicherheit in der Tattoo-Praxis bleibt unverzichtbar!

Von der Auswahl REACH-konformer Tätowierfarben über professionelle Hygienestandards bis hin zur regelmäßigen dermatologischen Kontrolle.

Nur so lässt sich gewährleisten, dass Tattoos Ausdruck von Individualität bleiben, ohne vermeidbare Gesundheitsrisiken mit sich zu bringen.

Und btw., Dr. Nicolas Kluger hat’s schon immer so gesagt!!

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