Die Welt der Tätowierungen steht vor einem technologischen Ausbau. Was lange Zeit ausschließlich in der Hand erfahrener Künstler lag, beginnt sich zu verändern. Roboter übernehmen zunehmend Aufgaben, die bisher nur mit handwerklichem Geschick, jahrelanger Übung und einer persönlichen Note umsetzbar waren. Robot-Tattooing ist keine Science-Fiction mehr, sondern gelebte Realität und bringt sowohl neue Chancen als auch Herausforderungen für die Tattoo-Branche und ihre Kundschaft.
Blackdot – die Pixelperfektion für die Haut?
Wir wollen es nicht Vorreiter in diesem Bereich nennen aber das privat gehaltene Unternehmen Blackdot, das Gründer und CEO Joel Pennington 2019 ins Leben gerufen hat, liegt mit seinem hochpräzisen Tattoo-Roboter gerade in vielerlei Munde.
Joel Pennington – wir wissen nichts um die Namengleichheit mit dem US-amerikanischen Erfinder und Hochstapler Edward Joel Pennington (1858 – 1911) – hat sein Tattoo-Tech-Startup in Austin, Texas (USA) gegründet und betreibt zur Bewerbung eine wirklich sehenswerte Webseite namens www.blackdot.tattoo.
Auf selbiger bewirbt er dann als gleich sein Buch „The Road to the Tattoo Revolution“ (kostet nur eine E-Mail-Adresse – aber der Button mit verfolgendem Klick-Zwang ist cool!), das er mit seinem Co-Autor, Pulitzer-Preis-Finalist (nicht Träger) und Kunstgeschichtsprofessor Noah Charney (Adjunct Professor > Honorarprofessor/ Teilzeit Dozent) geschrieben hat. Er ist u.a. Gründer der Association for Research into Crimes Against Art (ARCA) und auf Kunstverbrechen spezialisiert.
Warum Uschi (Obermaier) und ihr wilder Mann Dieter (Bockhorn) es hier schaffen geschickt genannt zu werden, dient wohl nur dramaturgischen Zwecken, denn es weist keine tatsächliche familiäre Verbindung auf. Dem Marketing-Texter explodiert hier vor Entzückung derweil gerade sein Herz.
Laut Pitchbook.com beherbergt das Unternehmen nicht nur 16 Mitarbeiter, sondern soll die Blackdot Nummer auch schon 9 Millionen US-Dollar aufgeraucht haben. 4,5 Mio. stehen als letzter Deal-Betrag im Eintrag nebst 3 Investoren. Apropos Eintrag – sucht man mal nach der Adresse des Unternehmens, so findet man an gleicher Stelle aktuell nur einen Briefkasten-Service.
Wer die Zeit und Muße hat, dem Empfehlen wir von Herzen mal die Shark Tank Folge zu Blackdot zusammengeschnitten auf YouTube. (Lieblingsstelle ab 03:14 mit Daymond John)

Das Bits & Bytes Tattoo vom Blackdot-System
Das Blackdot-System funktioniert nicht vollständig autonom, sondern wird von Menschen gesteuert. Zunächst kreiert ein Künstler ein Tattoo-Motiv nach seinen Vorstellungen und bereitet es digital auf, bevor eine spezielle Software es in ein maschinenlesbares Tattoo-Format umwandelt.
Der Blackdot-Roboter scannt die zu verzierende Kunden-Haut mit einem digitalen Mikroskop und ermittelt so Tiefe und Anzahl der notwendigen Nadelstiche. Das Ergebnis sind Tätowierungen, die aus winzigen Punkten von nur 0,25 Millimetern Durchmesser bestehen und (angeblich, wir haben noch keins in natura gesehen) mit beeindruckender Genauigkeit gestochen werden.
Die Vorteile dieses Nadeldruckers, aus Sicht von Blackdot, liegen auf deren Hand. Die Präzision soll so hoch sein, dass Linien und Punkte in gleichbleibender Qualität gestochen werden. Die Eindringtiefe der Nadel(n?) wird von der Maschine exakt in die Haut gesteuert, was oft als angenehmer empfunden wird als bei herkömmlichen handcrafted Methoden.
Weitere Vorteile, aus Sicht von Backdot, sollen auch das gleichmäßige Verteilen der bisher nur grau abgestuften Tätowierfarbe für eine spätere Laser Tattooentfernung sein, da nach ihren Aussagen die Tattoo-Pigmente homogener in der Haut liegen. (Hmmm?!)
Noch ein Plus sollen die Qualität und Konsistenz der Ergebnisse sein, die nicht von der Tagesform oder Ermüdung des Tattoo-Künstlers beeinflusst werden.
Doch Blackdot hat auch Einschränkungen
Der Blackdot Tattoo-Automat eignet sich derzeit primär für Dotwork und Pixel Tattoo-Designs auf flachen Körperstellen wie Armen oder Beinen. Farbige Tattoos oder Arbeiten mit dicken Linien lassen sich mit dem Roboter-System bislang noch nicht umsetzen.
Zudem ist der Zugang limitiert, da die Geräte/ das Gerät nur in ausgewählten Studios, wie u.K.n. etwa im renommierten Bang Bang Tattoo Studio in New York, im Test-Einsatz sind/ist. Auch die Anschaffung oder das Leasing eines solchen Farb-Nadel Roboters soll recht kostspielig sein, was einen Return on Invest (ROI) in die Zeit nach der Polkappen-Schmelze katapultieren könnte.
Mal abgesehen von den auf der Webseite präsentierten, noch eingeschränkten nicht ganz billigen und limitierten Kunstwerken von Ömer Tunca vom italienischen Top-Studio The White Whale Tattoo Society.
Übrigens bisher der einzige Tattoo-Artist, der unserer Kenntnis nach wirklich irgendetwas Tattoo-kreatives zu Blackdot beitragen durfte. 2.100 USD in ein 7,3 x 2,3 cm (small) bis hin zu 3.500 USD für ein 10,9 x 4,3 cm (large) großes Tattoo zu investieren, braucht schon eine tiefe Tasche und Herzblut für die Sache. Seine manuell (muss man das ab jetzt immer dazu schreiben??) gestochenen „Conceptual Tattoos“ sind aber echt sehenswert.
Am Ende bleibt aber vor allen Dingen der menschliche Faktor auf der Strecke. Die persönliche Atmosphäre, das Gespräch während des Tätowierens und die künstlerische Improvisation lassen sich nur schwer automatisieren.
Mit wem sollte man sich als Beispiel so köstlich darüber amüsieren, dass Blackdot den „view behind the curtain + Blackdot-Tattoo“ bei sich in Austin, nebst Führung durch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung, mit der Reise ins Porsche-Werk nach Deutschland und die Abholung eines 911ers vergleicht. (Die „Queen“ kommt hier ja gerade aus dem Lachen nicht mehr raus...aber gut und der Texter ist Endstufe!)
Der Tattoo-Robo ist nicht neu. KUKA und die Idee der Fern-Tätowierung
Einen anderen Ansatz verfolgt der Roboterhersteller KUKA. Ein weltweit führender Anbieter von intelligenter Robotik, Anlagen- und Systemtechnik aus Augsburg (Germany). Held der Branche – das weiß jeder – ist ABB, falls mal einer fragt. Der dickste Brocken im Markt ist allerdings Mitsubishi Electric.
Bereits auf der Digital X in Köln stellte KUKA 2022 einen sogenannten Tele-Tattoo-Roboter vor. Das System basiert auf dem sensiblen LBR Med (Leichtbauroboter für die Medizin), einem Roboter-Arm, der ursprünglich für medizinische Anwendungen entwickelt wurde.
Keine geringere als Tätowiererin Fauve Lex steuerte damals die künstliche Hand des Roboters über eine Fernbedienung und 5G-Verbindung, während Tattoo-Robi auf einem Silikon-Modell arbeitete.
Das Konzept zeigt, dass Tätowierungen in Zukunft theoretisch auch über große Entfernungen hinweg möglich wären. Warum auch nicht? Kennt man das Prozedere der Assistenzsysteme in der Medizin und Millitär schon seit Jahrzehnten.
Diese Roboter-Technik eröffnet aber interessante Perspektiven. Künstler könnten Kunden auf der ganzen Welt bedienen, ohne physisch anwesend zu sein. Die Präzision des Roboters, kombiniert mit einer stabilen Datenverbindung, erlaubt eine kontrollierte Ausführung selbst über lange Distanzen hinweg. Gleichzeitig werden Technologien aus der Medizintechnik genutzt, um die Sicherheit zu gewährleisten und die Sensibilität des Geräts an menschliche Haut anzupassen.
Allerdings handelt es sich bislang eher um eine technische Machbarkeitsstudie als um eine marktreife Lösung. Die menschliche Haut ist elastisch, die Kundschaft bewegt sich, reagiert auf Berührungen und ein stabiles WLAN braucht es auch.
All das stellt eine Herausforderung für Fernsysteme dar. Zudem fehlt dem Tattoo-Artist bei der Fernsteuerung das direkte haptische Feedback, das in der traditionellen Arbeit so entscheidend ist, um Druck, Tiefe und Rhythmus zu kontrollieren.
Ja, ein Tattoo im Studio funktioniert eben einfach anders als eine Blinddarm-OP im Feld an der Front. Aber zukünftige Roboter-Hände, die von Tätowierer-Händen gesteuert werden, stünden solcher Weiterentwicklungen alles andere als im Wege.
Auch die Kosmetikbranche steht nicht ohne da. Der Luum-Lash-Roboter
Wie sich Robotik in filigranen Beauty-Anwendungen einsetzen lässt, zeigt ein Blick in die Kosmetikbranche. Der Luum-Lash-Roboter ist darauf spezialisiert, Wimpernverlängerungen automatisiert anzubringen. Mithilfe von Kameras, maschinellem Sehen und präzisen Greifarmen (hier haben wir ähnliche Robo-Grapscher also schon) werden einzelne Wimpern exakt positioniert.
Im Ergebnis soll sich die Behandlungszeit von etwa zwei Stunden auf rund neunzig Minuten verkürzen und das bei gleichbleibender oder sogar gesteigerter Präzision.
Dieses Beispiel zeigt, dass sich hochpräzise, körpernahe Arbeiten durchaus erfolgreich automatisieren lassen, ohne die Sicherheit oder Qualität zu beeinträchtigen.
Der Luum-Roboter hat bereits zehntausende Anwendungen hinter sich, verfügt über zahlreiche Patente und hat sich als verlässliche Ergänzung im Studioalltag etabliert.
Für die Tattoo-Branche ist das ein Hinweis darauf, dass Roboter in Zukunft nicht nur für spektakuläre Messe-Demos, sondern auch für den alltäglichen Studioeinsatz tauglich werden könnten.
Und es kommt noch dicker. Künstliche Intelligenz als Kreativ-Partner
Neben der Robotik spielt unlängst auch künstliche Intelligenz (KI) eine wachsende Rolle in der Tattoo-Welt. KI-gestützte Tools ermöglichen es Künstlern und Kunden, in kürzester Zeit individuelle Designs entwickeln zu lassen.
Stilrichtungen wie Fine Line, Dotwork oder abstrakte Muster lassen sich mit geschwind getippten Prompts erzeugen und in Echtzeit anpassen.
Für Künstler bedeutet dies zwar eine Zeitersparnis und die Möglichkeit, kreative Ideen schnell zu visualisieren aber es bleibt eben ein großes Stück weit kopiert, künstlich ohne dabei echte bildende Handwerkskunst zu sein.
Ob Kunden davon profitieren, ohne großen Aufwand verschiedene Varianten zu sehen, bevor sie sich für ein finales Motiv entscheiden, bleibt für uns fraglich. Das muss wohl jeder selbst mit seiner Entscheidungsfreudigkeit ausmachen.
Die maschinelle Entwicklung hat auch Schattenseiten
Tattoo-Designs aus der KI-Dose können zwar technisch perfekt wirken, doch fehlt es ihnen an Persönlichkeit und dem Unperfekten. Der individuelle Ausdruck und die handwerkliche Note, die ein Tattoo-Artist in seine Arbeit einfließen lässt, sind schwer durch Algorithmen zu er- und übersetzen.
Zudem besteht das Risiko, dass sich Trends noch schneller angleichen, wenn viele auf dieselben KI-Plattformen zurückgreifen und sie füttern. Ohne gezieltes Feintuning durch den Tätowierer droht eine gewisse Austauschbarkeit. Von der ungeliebten Copy-Cat wollen wir lieber erst gar nicht anfangen. Die KI frisst halt alles, was sie findet.
Chancen und Herausforderungen für die Tattoo-Branche
Die Integration von Robotik und KI bringt Tattoo-Studios und ihren Artists nicht nur Nachteile, sondern auch zahlreiche Chancen.
Automatisierte Systeme, angefangen von der digitalen KI Telefon- und Termin-Assistenz über Saug- und Wisch-Roboter bis zum Tattoo-Robi, können den Arbeitsalltag effizienter machen, neue Geschäftsmodelle eröffnen und den Zugang zu bisher unaktivierter Kundschaft eröffnen.
Es klingt erstmal blöd aber die Tattoo-Branche arbeitet heute auch nicht mehr mit Hai-Zahn und Truthahnknochen, auch wenn Stick-and-Poke Tattoos die ursprünglichste Form der Körperverzierung darstellt und es Kundschaft dafür gibt.
Selbst die gute und noch nicht so alte Spulen-Maschine lässt heute die Köpfe drehen und Gänsehaut sprießen, wie ein screaming V10 in der Formel 1. (okay, GenZ = Bahnhof)
Heute arbeitet man mit einem smoothy Pen aus begleitendem veganen Accessoire-Köfferchen, Nadel-Modulen und vorgefertigten Tätowierfarben-Abstufungen aller Couleur. Der Pen darf dabei aber auch nicht zu shaky oder heavy sein, sonst geht das so aufs Handgelenk.
Wer keinen Bock auf Personal, Preisverhandlungen oder 5 Nachbearbeitungen seiner Designvorlage hat, der hätte die Option in Entwicklung teurer und komplexer Automaten-Technik zu investieren. Digital Check-in/out, Food & Beverage-Automaten, einen mit Hygiene-Artikeln, vielleicht noch gleich den Pico-Laser zur DIY-Tattooentfernung und der Hautverzierungs-Späti ist fertig. (But please, don’t call it Tattoo!)
Den persönlichen Aspekt des Tätowierens bei Seite geschoben, würde sich vielleicht sogar ein nicht unerheblicher Teil der Kundschaft für die maschinelle Präzision entscheiden.
Wie sagte uns einst eine Kundin auf der Suche nach einem sonntags geöffneten Tattoo-Studio?
„Egal wie, egal was. Hauptsache ein Tattoo!“
Diejenigen, die das authentische Tattoo-Erlebnis bei einem ihrer Lieblings Künstler suchen, gehen dabei nicht verloren. Selbst diejenigen, die den Tattoo-Automaten einmal ausprobiert haben, wissen im Nachhinein ihren lebendigen Artist vielleicht sogar doppelt zu schätzen.
Wenn man zum Thema Robot-Tattooing aktuell den Blick in die Community wagt, liest und hört man, dass viele Tattoo-Fans und -Artists solche Maschinen als interessante Ergänzung sehen, nicht jedoch als Ersatz.
Der Tattoo-Robi könnte sich als Studio-Werkzeug etablieren, das in bestimmten Stilrichtungen und Anwendungsfällen einer bestimmten Kundschaft Ergebnisse liefert, ohne das jemand einen krummen Rücken davon bekommt.
Fazit: Die Zukunft ist hybrid
Die Beispiele von Blackdot, KUKA und Luum, ff. verdeutlichen, dass Robotik und KI längst in der Lage sind, komplexe, körpernahe Arbeiten in hoher Qualität auszuführen. (Sind das dann eigentlich noch Dienstleistungen?)
Please, ZOOM OUT! Sogenannte „Lights-out oder Dark Factories“ in China bauen heute ganze Autos in 4 (BYD) bis 18 Stunden (Changan)! Tesla-Shanghai meint natürlich, sie schaffen es in 2 1/2Std.. Dark Factories heißen so, weil sie kein Licht benötigen, da dort nur sehr selten mal einer in Fleisch und Blut rumläuft.
Vorreiter soll übrigens die FANUC Corporation in Japan sein, die schon seit 2001 Roboter autonom, ohne Eingreifen von Menschen, sich selbst bauen lassen. Im Dunkeln! (Gehts noch gruseliger?!)
Für die Tattoo-Branche bedeutet das Thema Robotik nicht unbedingte Verdrängung, sondern vielmehr eine Erweiterung ihrer Möglichkeiten. Die spannendste Zukunftsvision wäre ein hybrides Modell. Roboter übernehmen hochpräzise oder repetitive Aufgaben, KI unterstützt bei der kreativen Gestaltung und Verwaltung und der menschliche Künstler bleibt derjenige, der Emotion, Persönlichkeit und künstlerische Handschrift in das Tattoo und die Szenerie mit einbringt.
Ob die Robotik die Tattoo-Kultur auffrisst, obliegt wohl primär seinen Artists und ihrer Kundschaft und wie sie die Kultur um die Körperverzierungen aufrecht und am Leben halten.
Die Nachfrage nach der gestochenen Körperverzierung ist derweil weltweit dabei sich zu verändern und eher rückläufig. Wir machen uns aber wenig Sorge darum, dass Geräte wie Blackdot & Co. irgendwann bei Apo Whang-Od Einzug halten würden.
Wer auch in Zukunft sein Tattoo handcrafted bekommen möchte, der wird sicherlich immer einen Tattoo-Artist für sich und seine bevorzugte Stil-Richtung finden. Aber vielleicht nicht mehr an jeder Ecke und zum absurden Spottpreis.