Risiko von Tätowierungen – Was steckt tatsächlich in Haut und Körper?

Risiko von Tätowierungen – Was steckt tatsächlich in Haut und Körper?

Nie war die Menschheit bunter als heute. Diese epidemiologische Hobby-Aussage von uns, möge gerne ein Profi widerlegen. Doch was steckt da nun eigentlich wirklich in der Haut und dem Körper? Und wie hoch ist das toxische Risiko von Tätowierungen daraufhin?

Über Risiken und Nebenwirkungen von Tätowierungen und Permanent Make-up wird viel spekuliert. Die Forschungsarbeit an Pigment, Tätowierfarbe, möglichen gesundheitlichen Folgen nimmt stetig zu.

Bei allem, was da seit 1873 (lt. PubMed) so rund ums Tattoo-Phänomen erforscht und untersucht wurde und wird, ist u.W.n. noch keiner so richtig dabei ans Ziel gekommen mal ganz genau nachzuschauen.

Was bleibt wirklich ab dem ersten mit Farbe getränktem Nadelstich drin in der Haut und Körper? Und was macht es da, oder auch nicht?

Dies ändert nun eine wirklich lesenswerte und wichtige Studie aus Deutschland!!!

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Berlin hatte Tattoo-Artists und Kunden gesucht, die sich in einer einarmigen Studie von November 2021 bis September 2022 am Klinischen Studienzentrum für Haut- und Haarforschung (CRC) der Charité Berlin unter Laborbedingungen mit schwarzen (14 Stück) oder roten (10 Stück) frei wählbaren Motiven tätowieren lassen.

Diese 24 mutigen männlichen, 18 – 45 jährigen und 60 – 100kg schweren, bereits vorher mindestens mit einer Tätowierung verzierten Probanden und ihre Künstler haben sie gefunden und beim Stechen einer Fläche von ± 30%: schwarz ~ 300cm2 oder rot ~ 100cm2 begleitet.

Angesichts der wichtigen Frage nach der Toxizität und Risiko von Tätowierungen, liegt der Fokus vieler Arbeiten dazu primär auf den farbgebenden und unlöslichen Pigmenten in den Tätowierfarben.

Von diesen Partikeln wissen wir, dass ein Teil aus der Tätowierung in nächstgelegene Lymphknoten wandern können und auch schon in Leber und Niere gefunden wurden.

Aber was ist mit dem Rest in Tätowierfarben, wie Lösungsmittel, Bindemittel, Additive? Wo gehen diese löslichen Inhaltsstoffe alle hin und was machen sie da?

Oder anders formuliert: Tätowierfarben können schädliche Stoffe enthalten. Darunter möglich krebserregende Chemikalien oder Metalle. Mit der Tattoo-REACH Verordnung wird in der EU seither streng reglementiert.

Aber diese strengen Vorschriften und Grenzwerte basieren oft auf der Ungewissheit, wie viele dieser Stoffe tatsächlich in den Körper gelangen, dort verbleiben, abgesondert oder ausgeschieden werden.

Tat_BioV: Tätowierfarben-Exposition und Biokinetik ausgewählter Tracer in einer klinischen Kurzzeitstudie mit 24 Probanden.

Quelle: Kochs, S., Schiewe, S., Foerster, M. et al.. Arch Toxicol (2025). DOI: 10.1007/s00204-025-03959-8

So titeln nun die Ergebnisse der Anfang Januar 2025 in Archives of Toxicology (Springer Nature) veröffentlichten Arbeit von Susanne Kochs, Sandra Schiewe, Milena Foerster, Kathrin Hillmann, Claudia Blankenstein, Martina C. Meinke, Josephine Kugler, David Kocovic, Andreas Luch, Ulrike Blume-Peytavi und Ines Schreiver.

Mit den Ergebnissen aus unserer Studie lassen sich die gesundheitlichen Risiken beim Tätowieren künftig genauer abschätzen und bewerten“, sagt Studien-Leiterin, Dr. rer. nat. Ines Schreiver vom Studienzentrum Dermatotoxikologie am BfR in deren am 04.02.2025 veröffentlichten Pressemitteilung.

Quelle: https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2025/6/taetowiermittel__wieviel_farbe_kommt_in_den_koerper_-318800.html

Wer jetzt denkt: „Ey, moment mal. Dafür gibts doch Labor-Mäuse und potenziell schädliche Inhaltsstoffe dürfen aufgrund des Gefährdungspotenzials gar nicht in experimentellen Studien am Menschen verwendet werden!“ – Stimmt!

Aber erstens wurden für die schwarzen oder roten Tätowierungen nur handelsübliche, vorher kontrollierte und zugelassene Tätowierfarben genutzt, und zweitens, um keine Studien-Beteiligten (auch keine Mäuse) zu gefährden, mischten die Forscher den verwendeten schwarzen und roten Tätowierfarben ungefährliche Tracer-Substanzen bei.

Genauer gesagt Kaliumiodid, Paraaminobenzoesäure (kurz PABA) und 2-Phenoxyethanol (kurz PEtOH; Phenylglykol).

Diese Tracer (oder Marker-Substanzen) und ihre Stoffwechselabbauprodukte wurden dann vor, während und nach den durchschnittlich fast dreistündigen Tattoo-Sessions in Blut, Urin in zeitlich genau definierten Abständen unter Laborbedingungen gesammelt und quantifiziert.

Dazu verglichen die Forscher die Ergebnisse mit dem Stoffwechsel dieser Substanzen auch bei oraler Einnahme und untersuchten zusätzlich, wie Hautzellen diese Stoffe verarbeiten.

Mit Hilfe dieser Marker-Substanzen konnte das BfR-Team verstehen, wie sich die flüssigen, löslichen Komponenten der Tätowierfarben im Körper verbreiten und vom Stoffwechsel verarbeitet werden.

Das Spektakuläre an der Tat_BioV Studie ist, dass man erstmals den Weg von Tätowierfarbe von der Hautbarriere bis ins Blut und Klo nachweisen konnte.

Alle Teststoffe oder ihre Abbau-Produkte wurden im Urin der frisch verzierten Teilnehmer nachgewiesen. Einige auch im Blut und in Verbandmaterial.

Dabei schied der Körper die Stoffe vor allen Dingen viel schneller wieder aus, als bisher angenommen. Die Aufnahme von Tätowierfarbe in den Körper, und damit angenommene Belastung durch lösliche Stoffe, war insgesamt viel niedriger als bisher befürchtet.

Das Beste daran ist aber, dass die Haut selbst eine wichtige Rolle beim Abbau einiger potenziell schädlicher Stoffe zu spielen scheint.

Noch besser, diese sogar teilweise unschädlich machen kann. Sie besitzt also möglicherweise eine Schutzfunktion gegen einige potenziell giftige Substanzen aus Tätowierfarben.

Frühere Schätzungen z. B. von Behörden, wie der Europäischen Chemikalienagentur ECHA, gingen davon aus, dass etwa 4,31 Gramm Tätowierfarbe pro Sitzung in den Körper gelangen könnten.

Die Ergebnisse dieser Tat_BioV Studie belegen jedoch, dass die tatsächliche Aufnahme nun viel geringer ist.

Der Durchschnittswert liegt hier bei nur etwa 0,22 bis 0,31 Gramm Tätowierfarbe pro Sitzung, was wirklich in den Körper aufgenommen und sich über das Blut oder die Lymphe verteilt.

Es bleibt also nur ein Teil der Tattoo-Farbe in der Haut oder wird durch Wundflüssigkeit und Krusten direkt während und nach dem Tätowieren wieder herausgespült.

Die Tat_BioV Studie hat zwar genau gemessen, wie viel Tätowierfarbe in den Körper aufgenommen und wieder ausgeschieden wurde, aber sie konnte nicht exakt bestimmen, wie viel Tattoo-Pigment dauerhaft an Ort und Stelle in der Haut verbleibt.

Allerdings kann man anhand der Tat_BioV Daten eine grobe Abschätzung geben.

1.) Gesamte aufgetragene Farbmenge pro Sitzung (hypothetische Exposition):

  • Durchschnittlich 0,89 g Farbe pro Sitzung
  • 75. Perzentil (worst-case-Szenario): 1,25 g Farbe pro Sitzung

2.) Tatsächlich aufgenommene Farbmenge im Organismus (systemische Exposition):

  • Durchschnittlich nur 0,22 bis 0,31 g pro Sitzung
  • Das bedeutet, dass mindestens 25–35 % der aufgetragenen Farbe in den Körper aufgenommen wurde

3.) Farbe, die nicht systemisch aufgenommen wurde:

  • 0,89 g aufgetragen – 0,31 g aufgenommen = ca. 0,58 g pro Sitzung verbleiben NICHT im Körper
  • Das bedeutet, dass ein Großteil dieser Menge möglicherweise durch Wundflüssigkeit oder Krustenbildung verloren geht.

Die Haut behält also nur einen Teil der Tattoo-Farbe in sich. Ist ja auch logisch, denn sonst sähe man keine Tätowierung. Gemessen und gewogen wurde auch, wie viel Tätowierfarbe die Haut in der Heilphase nach dem Stechen absondert.

Aber es gibt weiterhin ungelöste Fragen zur langfristigen Speicherung und möglichen Migration der Pigmente im Körper.

Wichtig ist vor allen Dingen, dass die Tat_BioV Studie die ersten Forschungsdaten aus der menschlichen Haut (in-vivo Humandaten) und seinen gesamten Körper-Organismus betreffend (systemische Exposition) gegenüber löslichen Inhaltsstoffen von Tätowierfarben liefert.

(…) „Diese Daten können zur Anpassung von Risikobewertungen in Bezug auf Karzinogene und andere toxische Substanzen in Tätowier- und Permanent-Make-up-Tinten verwendet werden, wodurch eine bessere Vorhersage der mit Tätowierungen verbundenen Gesundheitsrisiken für die Allgemeinbevölkerung möglich wird.

Darüber hinaus liefern unsere Daten Hinweise auf die Fähigkeit der Hautzellen, bestimmte Substanzen in einem Ausmaß zu metabolisieren, das die den Ausgangsverbindungen innewohnenden toxischen Eigenschaften beim Tätowieren beeinflusst, insbesondere im Fall von PAAs.

Eine Einschränkung unserer Studie besteht darin, dass eine unbekannte Menge an Tintenkomponenten durch die Wundheilung verloren zu gehen scheint, was weiter zu untersuchen ist.“ (…) Zitat aus DISKUSSION (aus Eng. autom. übers. Google).

2 Gedanken zu “Risiko von Tätowierungen – Was steckt tatsächlich in Haut und Körper?

  1. Das Ergebnis (obwohl sehr wage) wird Tattoowillige eher ermuntern. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das gut finde, gerade weil die Schlussfolgerung (Ergebnisse DEUTEN AN, dass …Risiko geringer sein KÖNNTE…), so unbestimmt.

    1. Liebe Helga,
      danke Dir für Deinen Kommentar hier zur Berliner Tattoo-Studie.

      Die Ergebnisse hieraus sind nicht wage. Wenn doch erstmal einzigartig. Sie müssen durch weitere Studien belegt/ bestätigt werden und das ist auch gut, richtig und wichtig so.

      Dass der Konjunktiv bei solchen verschriftlichten Studien hier und da verwendet wird, ist nicht unüblich. Ansonsten würdest Du Dir als Forschender ja auch selbst die Tür zu Deiner Arbeit zuschlagen.

      Viele Grüße.

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