Tattooentfernung als Chance für einen Neuanfang im Leben

Tattooentfernung als Chance für einen Neuanfang im Leben

Tattoos gelten als Ausdruck von Persönlichkeit, Identität, Lebensstil oder wurden einfach nur zum Spaß gestochen. Manche Tätowierungen erinnern aber auch an schwierige Zeiten, Krisen oder belastende Lebensphasen. Genau an dieser Stelle greift der aktuelle Fall-Bericht „Tattooentfernung in forensischen psychiatrischen Einrichtungen: Ein Plädoyer für die Interessenvertretung“ von Nandini Mishra et al. aus dem Lehrkrankenhaus Glasgow Royal Infirmary (GRI – Schottland) in Großbritannien. Sie und Ihr Team berichten, wie stark sichtbare Tattoos, insbesondere im Gesicht, die psychische Gesundheit und die soziale Reintegration beeinträchtigen können.

Im Unterschied zur klassischen kosmetischen Fragestellungen nähert sich dieser Artikel einem bislang wenig beachteten Bereich. Der sogenannten forensisch-psychiatrischen Versorgung in Verbindung mit Tätowierungen.

Da sich nun nicht jeder mit diesem Thema tagtäglich auseinandersetzt, vielleicht kurz zur Erläuterung. Die „Forensische Psychiatrie“ ist ein Fachgebiet an der Schnittstelle von Psychiatrie und Recht.

Sie befasst sich also mit psychisch erkrankten Straftätern, beurteilt deren Schuldfähigkeit durch Gutachten für Gerichte und behandelt sie zudem in speziellen Kliniken (Maßregelvollzug), um ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit zu mindern oder zu beseitigen. Oft mit dem Ziel der Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Resozialisierung). 

Hier ist die Tattooentfernung tatsächlich mehr als ein rein ästhetischer Wunsch nach kosmetischer Veränderung. Sie kann vielmehr Teil eines seelischen sowie sozialen Neustarts sein.

Als langjährige Experten auf dem Gebiet der Tattoo- und Permanent-Entfernung wissen wir um diese Perspektive. Ob als Chance für die psychische Gesundung, soziale Rehabilitation oder den Beginn eines neuen Lebensabschnitts, verwandelt sich die grundlegende ästhetisch-kosmetische Laserbehandlung an dieser Stelle rasch zu einer medizinisch-indizierten Therapie.

In dem kürzlich veröffentlichten Fall-Bericht wird der Weg eines 35-jährigen Mannes geschildert, der in einer forensisch-psychiatrischen Klinik in Ontario (Kanada) untergebracht wurde.

Ab seinem 17. Lebensjahr hatte er sich zahlreiche Tätowierungen an Hals, Händen, Armen, Brust und auch im Gesicht stechen lassen. Einige dieser Tattoos entstanden dabei während seines Inhaftierungszeitraums.

Besonders gravierend, aber sicherlich auch verständlich, dass ihn seine Face-Tattoos ständig an seine Vergangenheit erinnerten. An eine Phase von psychischer Erkrankung, an Straftaten und daraus resultierenden Bestrafungen.

Eine dieser Tätowierungen war beachtlicher Weise auch noch der Name eines seiner Opfer. Also ein ständiges namentliches Symbol seiner Vergangenheit, das er nicht loswerden konnte.

Seine permanent sichtbaren Tätowierungen im Gesicht – darunter auch eine unübersehbare HiV+ Markierung auf seiner Stirn – standen ihm bei fast jeder sozialen Interaktion im Weg.

Er berichtete von Ablehnung, diskriminierenden Bemerkungen, Ausgrenzung und dem Gefühl, unaufhörlich beurteilt zu werden.

Daraus resultierte für ihn kaum eine Chancen auf stabile Beziehungen, berufliche Perspektiven oder gesellschaftliche Teilhabe.

Seine Face-Tattoos waren für ihn also nicht mehr Kunst oder Provokation, sondern eine echte Last. Ein regelrechtes Stigma und schwere Hindernisse auf seinem Weg zurück in ein „normaleres“ Leben.

Was Tätowierungen im Justizvollzug als Hinweis aus Bandenzugehörigkeit, Hierarchie und Karrierestatus bedeuten, füllt mittlerweile überaus lesenswerte Bücher und Dokumentationen.

Die Erkennung und Deutung von Tattoo-Motiven im Justizvollzug als auch in forensischen psychiatrischen Einrichtungen ist gleichermaßen wichtig für die Rehabilitation der Betroffenen und kann auch deren Gefährlichkeitsgrad und potenzielles Rückfallrisiko anzeigen.

Wer den Fallbericht und zugehörige Fotos vom Patienten mal im Original im Cureus, Journal of Medical Science (Teil von Springer Nature) lesen möchte, findet ihn in der Volltext-Version hier:

Tattoo Removal in Forensic Mental Health Settings: A Case for Advocacy

Mishra N, Khalsa P, Mishra A. Tattoo Removal in Forensic Mental Health Settings: A Case for Advocacy. Cureus. 2025 Oct 20;17(10):e94997.
DOI: 10.7759/cureus.94997. PMID: 41122369; PMCID: PMC12536925.

Die finanziellen und strukturellen Hürden für eine Lasertherapie zur Tattooentfernung waren anscheinend enorm. Im betreffenden kanadischen Bezirk kostet eine Laser-Behandlung durchschnittlich gerne mal ab 400 US-Dollar aufwärts.

Für jemanden, der nur Sozialhilfe und ein geringes monatliches Einkommen erhält, war das schlicht nicht bezahlbar. Hinzu kamen Einschränkungen wegen seiner Unterbringung in der forensisch-psychiatrischen Klinik, seine hierdurch eingeschränkte Bewegungsfreiheit und somit limitierten Zugang zu externen Angeboten.

Doch in diesem besonderen Fall zeigte sich eine Laser-Praxis dazu bereit, die Tattooentfernung kostenlos anzubieten. Inklusive des Transports nebst Begleitung durch Pflegepersonal. Nach ausführlicher Aufklärung über die Risiken und Begleitmaßnahmen begann der Patient daraufhin seine Laserbehandlung.

Die Veränderung war für ihn anscheinend sehr tiefgreifend. Wie Nandini Mishra und Ihr Team schreiben, berichtete der Patient davon, dass sich sein Selbstwertgefühl in kurzer Zeit deutlich verbessert habe.

Er sagte: „My self-esteem is better. I like my face.“ Er fühle sich wieder sicherer im Kontakt mit anderen und sehe Hoffnung auf ein normaleres Leben.

Die ständige Belastung durch seine Tattoos, das Grübeln über Ablehnung, Zukunft und soziale Isolation seien spürbar zurückgegangen.

Für ihn waren die Tätowierungen nicht länger ein Teil von ihm und sein verzierter Körper nicht länger ein Mahnmal seiner Vergangenheit. Die Entfernung seiner Tattoos war ein Schritt hin zu Selbstannahme, sozialer Akzeptanz und ganz neuer Perspektiven im Leben.

Viele von uns kennen natürlich die Geschichte von Bryon Widner und zugehörigen Film „Skin – Hass auf der Haut“ (von 2018). Andere Geschichten in ähnlicher Form gibt es zuhauf aber sie werden seltenst und aus vielerlei guten Gründen nicht in die Öffentlichkeit getragen.

Knast-Tattoos, Gang-Tätowierungen oder ähnlich motivierte Tattoo-Motive wird sicherlich jeder gute Lasertherapeut (ob wissentlich oder unwissentlich) schonmal unter seinem Laser gehabt haben. Sich doch mal ein bisschen mit der Motiv-Gestaltung und Bedeutung auseinanderzusetzen, kann dabei sicherlich nie schaden.

Die Erkenntnisse aus diesem Fallbericht zeigen derweil mal wieder eindrücklich, dass eine Tattoo-Entfernung weit mehr sein kann als ein kosmetischer Wunsch oder ästhetisches Statement.

Für manche Menschen sind Tattoos eng verbunden mit Trauma, Schuld, Erinnerung und können ein starkes psychosoziales Hindernis darstellen.

Dafür muss man natürlich nicht immer gleich kriminell sein oder werden. Dieser Fallbericht bestätigt aber vielmehr, dass die Entfernung von mental belastenden Tätowierungen ein Schlüsselelement auf dem Weg zu psychischem Wohlbefinden und sozialer Reintegration auch im kleineren Rahmen sein kann.

Gerade Menschen mit belasteter Biografie, etwa mit psychiatrischem Hintergrund, Haft- und Entlassungsgeschichte oder sozialer Benachteiligung, haben häufig weder die Mittel noch den Zugang zu solchen Leistungen.

Der vorgestellte Fall zeigt, wie mit Engagement, Unterstützung und sensibler Begleitung eine Tattooentfernung wichtiger Teil eines begleiteten Neuanfangs werden kann.

Das bedeutet auch, dass Laser-Anbieter und Institutionen der Tattooentfernung eine besondere Verantwortung und Chance haben.

Mit Verständnis, Beratungskompetenz und ggf. sozialen Fördermodellen können sie Menschen unterstützen, die nicht einfach ihre Tattoos los werden, sondern Abschied von ihrer Vergangenheit nehmen wollen.

So ist die Tattooentfernung mittels Laser nicht nur reine Dienstleistung, sondern ein wichtiger Schritt in Richtung Leben, Würde und Hoffnung.

Der Fallbericht „Tattoo Removal in Forensic Mental Health Settings: A Case for Advocacy“ fordert nicht nur medizinisches Nachdenken, sondern auch gesellschaftliches Handeln.

Er zeigt, wie wichtig es ist, die persönliche Geschichte und Bedeutung von Tätowierungen zu respektieren bevor man pauschal bewertet oder gar verurteilt.

Natürlich lautet der Satz, der uns allen gerade in den Ohren summt: „Warum hat er das gemacht. Er ist doch selber schuld.“

Genau diese Sensibilität, dass sich diese Frage nebst Vorverurteilung nicht stellt, sollten auch Mediziner, Laser-Therapeuten und alle, die mit Körper und Haut arbeiten, aufbringen.

Der psychische Druck, die soziale Stigmatisierung und die Hürden im Alltag verdienen Aufmerksamkeit. Auch außerhalb der forensischen Psychiatrie.

Denn Tattooentfernung ist so viel mehr als eine kosmetisch-ästhetische Behandlung. Sie kann ein Schritt von vielen sein auf dem Weg zu Selbstachtung, sozialer Teilhabe und einem echten neuen Anfang.

Bei uns in Deutschland ist das Vorgehen im Fall von psychisch belastenden Tätowierungen und dem Wunsch nach „Tattooentfernung auf Rezept“ eher kompliziert und mit Vorsicht zu genießen.

Wir raten dringend davon ab sich eine psychische Belastung attestieren zu lassen, lediglich um eine Laserbehandlung einer unschönen Tätowierung oder Permanent Make-up bezahlt zu bekommen.

Die Auswirkungen eines vermeintlich psychischen Krankheitsbildes und seine Feststellung kann sich vehement auf andere Lebensbereiche einwirken, um es vorsichtig auszudrücken.

Andersherum – auch wenn wir die Funktion im Verarbeitungsprozess verstehen, sich ein Tattoo während einer psychischen Krise oder einer Krankheitsphase stechen zu lassen, sehen wir es als problematisch. Leider sind solche Tattoo-Motive nicht selten Laser-Futter.

Im Bereich von Resozialisierungsmaßnahmen kennen wir Fälle, bei denen Behandlungskosten (zumindest teilweise und je nach Bundesland) übernommen werden und wurden.

Wer hier nach Mitteln und Wegen sucht, sollte sich im Vorfeld dringend professionelle Unterstützung durch Experten suchen. Wir helfen dazu gerne weiter.

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