Wenn man sich klar macht, dass der Vorgang des Tätowierens eine gezielte und wiederholte Verletzung der oberen Hautschichten darstellt, so ist die richtige Wundversorgung die logische Konsequenz.
Allerdings fallen die Urteile darüber, wie die verletzte Haut nach dem Tätowieren am besten zu versorgen ist, unterschiedlich aus.
Der »Krankheitsverlauf« nach einer Tätowierung sieht in der Regel so aus, dass die Haut auf die Vielzahl der kleinen Einstiche und das Einbringen einer körperfremden Substanz unter die oberste Hautschicht mit einer leichten Schwellung, Blutung und der Bildung von Wundsekret einhergeht.
Dabei wird auch überschüssige Farbe u.a. an die Hautoberfläche transportiert.
Frisch Tätowierte erkennt man zuweilen daran, dass ein Stück Küchen-Frischhaltefolie unter den Ärmeln ihres T-Shirts oder unter der hochgekrempelten Hose hervorlugt. Dieser Tipp mit der Folie wird von vielen Tattoo-Studios tatsächlich gegeben.
Mit der Folie über der frischen Tätowierung soll die Verschorfung und mögliche Infektion der Hautoberfläche unterbunden werden. Und es bleiben u.a. keine Fasern auf der Wunde kleben.
Da es sich um eine ganz normale Gerinnungsreaktion handelt, die den Körper schützt und zur Heilung beiträgt, ist das nicht leicht verständlich. Das Problem besteht darin, dass ziemlich viele Körperstellen elastische Hautpartien haben.
Das hat die Natur ganz praktisch eingerichtet, denn so können wir uns bewegen. Eine flächige Tätowierung kann die Haut so stark in Mitleidenschaft ziehen, dass die zeitweise stark verkrustete Wunde zu Rissen neigt. Und das sieht man später auch in der Tätowierung.
Außerdem liest man hier und da, dass die frische Tätowierung nach Abnahme der Folie mit pH-neutraler Seife gereinigt werden kann.
Ebenso wird dazu geraten, die Tätowierwunde durch eincremen geschmeidig zu halten. Wer es exotisch mag, kaufe sich eine Aloe Vera und möge sich mit dem Saft der Blätter behandeln.
Problem: Es geht nicht um schnellstmögliche Wundheilung
Alles in allem lässt sich das Sammelsurium der üblichen »Nachpflege« eher als Prozess einer bewusst verzögerten Wundheilung beschreiben, mit dem prmären Ziel, den ästhetischen Wert der Tätowierung nicht zu gefährden.
Anders lässt sich nämlich die Frage nicht beantworten, warum man eine Schürfwunde nicht genauso behandeln würde. In extremerer Weise gilt das für andere Body- Modifications wie z. B. Branding oder Cutting, bei denen die offene Vernarbung selbst das ästhetische Ziel darstellt.
Es liegt in der Logik der Sache, dass theoretisch mit der Verlängerung des Wundheilungsprozesses auch das Zeitfenster für eine Infektion größer ist. Das Auftreten von Infektionen bei einer frischen Tätowierung ist von vielen Faktoren abhängig.
Der körperlichen Konstitution des Kunden, dem Zustand seines Immunsystems, der Hygiene des Tätowier-Studios, der Hygiene des Kunden selbst. Die Selbstgefährdung des Klienten durch mangelnde bzw. falsch aufgefasste Hygiene stellt vermutlich das größte Risiko dar.
Faustregeln:
1) Schließen wir also aus, dass es beim Prozess der Tätowierung zu einer markanten Übertragung von Keimen kommt. Wenn das Studio ordentlich geführt wird, so ist peinlichste Handhygiene auf Seiten des Kunden die Basis für die Pflege eines frisch gestochenen Tattoos. Warum? Weil die Wunde nicht mit der Nase versorgt wird…
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt den folgenden Drill:
[ http://www.who.int/entity/gpsc/tools/HAND_WASHING.pdf?ua=1 ]
2) Wenn schon bei der Küchen-Frischhaltefolie von der Rolle großes Vertrauen in die keimarme Produktion gesetzt wird, so kann der gesunde Menschenverstand einem vielleicht sagen, dass die folgenden Vorschläge wohl aus der Rubrik »Was nicht tötet, härtet ab« stammen:
- Sich ein abgeschnittenes Blatt Aloe Vera in die Wunde zu reiben? Wie soll das keimfrei vonstatten gehen? Überlegen Sie, wo überall das Pflänzchen schon herumgekommen ist, bevor es bei Ihnen landete.
- Abtupfen der Wunde mit Küchenrolle? »Küchenrolle« heißt so, weil man damit in der Küche Schmutz und Feuchtigkeit von Oberflächen aufnehmen kann; für Wunden verwendet man am besten sterile Mullbinden. Eben – weil sie für diesen Zweck steril produziert worden sind.
- Eincremen offener Wunden – möglicherweise auch noch mit Bodylotions – ist einer der besprochenen Beiträge zur Verzögerung des Wundheilprozesses. Dazu kann nicht unbedingt geraten werden. Die Versorgung mit Cremes kann i.d.R. nach dem Heilen/ Verschließen der Wunde beginnen.
Wir merken: Es ist wohl am ehesten der jugendlichen Gesundheit zu verdanken, dass sich trotz der szeneüblichen Prozeduren nur durch ein Wunder lediglich ein kleiner Prozentsatz ernsthaft schädigt. Okay! Oder wir sind zu pingelig!?
Zusammengestellte Experten-Tipps für ein ganzheitliches Konzept zur Heilung, Reinigung und Pflege von Tätowierungen, findet Ihr hier >>