Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat vom 6. bis 7. Juni 2013 in Kooperation mit der FU Berlin die erste internationale Konferenz zur Sicherheit von Tätowierungen („First International Conference on Tattoo Safety“) über die Bühne gebracht. Hier trafen Mediziner, Wissenschaftler, Laserspezialisten und Angehörige der Tätowierbranche aus der ganzen Welt zusammen, um die mutmaßlichen Gefahren und Präventionsmöglichkeiten bei der Tätowierung auszuloten.
Es lässt sich beliebig drehen und wenden: Beim Tätowieren werden Substanzen unter die Haut gebracht, worauf der Körper mit einer Immunreaktion antwortet – das reicht vom planmäßigen Abheilen der oberflächlichen Hautverletzung bis zu heftigeren Reaktionen. Ob dies auf die Dauer relativ harmlos oder mit erheblichen Gefahren einhergeht, ist Gegenstand anhaltender (Medien-) Kontroversen. Der entscheidende Punkt ist, ob man weiß, woraus die Farben bestehen und wie die enthaltenen Stoffe auf den menschlichen Körper wirken.
Es sei vorweggenommen: Man weiß es nicht! Es existieren keine Langzeitstudien. Allerdings ist klar, dass manches Bestandteil, das in der Vergangenheit in Tätowierfarben nachgewiesen wurde, unter der Haut problematisch wird, weil es ohnehin für den lebenden Organismus ungenießbar ist. Daher hat auch der Gesetzgeber EU-weit eine Reihe von Stoffen ausgeschlossen.
Wettlauf mit der Marktnachfrage
Ein gravierendes Problem ist das ungeregelte Wachstum der gesamten Branche: Tätowierer ist noch kein Ausbildungsberuf mit Prüfung bei der Handwerkskammer. Kenner der Szene rechnen damit, dass auf jedes legale mehr als drei illegale Tattoo-Studios kommen. Hier ist der Anwendung von Farben fragwürdiger Qualität Tür und Tor geöffnet, sei es aus Unwissen oder Geldgier.
Dementsprechend ist die Zahl der intern. Farbenhersteller ins Kraut geschossen. Zusätzlich spielt die Verfügbarkeit über den Internetversandhandel eine negative Rolle. Eine Farbpalette aus China zu ordern, ist heute einen Klick weit entfernt. Die beim BfR-Symposium vertretenen Kollegen der Tattoo-Farbenhersteller und –Vereinigungen sind rund um die Uhr und mit viel Einsatz darum bemüht Pigmente von den Zulieferern zu erhalten, die eine Tätowierung bedenkenloser machen sollen.
Die Farbe für eine Tätowierung besteht bis dato in der Hauptsache aus Farbpigmenten und Zusatzstoffen, deren Wirkung auf den Körper im Großen und Ganzen nicht systematisch erforscht ist, wie das Bundesamt für Risikobewertung einräumt. Der Mangel an Klarheit mag u. a. darauf zurückzuführen sein, dass die Tätowierung mehrheitlich das Signet von Lumpenproleten, Matrosen, Knastologen, Bohemians und burlesker Tänzerinnen war – nicht gerade die Zielgruppen staatlicher Vorbeugemaßnahmen. Das muss sich ändern, denn ohne Hilfe von oben und eine deutlichere Regulierung wird sich wohl nur schwerlich etwas verbessern lassen.
Der Nimbus der Halbwelt, er hat Warencharakter angenommen
Mit der Karriere verwegener Hautbildchen zum Konsumartikel in allen Gesellschaftsschichten tritt nun die Gesundheitsfürsorge auf den Plan. Auch wenn nicht zuverlässig geklärt ist, wie viele es betrifft, so lassen sich doch einige offenkundige Komplikationen auflisten, die mit einer Tätowierung einhergehen können:
Allen voran: Allergische Reaktionen, auch mit erheblicher zeitlicher Verzögerung. Hier weist Prof. Dr. Jørgen Serup vom Kopenhagener Bispebjerg University Hospital vor allem die Farbe Rot als kritischen Kandidaten aus. Weitere unangenehme Folgen können sein:
- Vergrößerung einer Hautpartie durch vermehrte Zellteilung
- Papeln und Pusteln auf der Haut
- Geschwüre
- Juckreiz
Der vor allem in den Medien dankbar aufgegriffene Gedanke, Tätowierungen stünden im Zusammenhang mit Hautkrebs, kann bislang nicht nachgewiesen werden. Nicolas Kluger, Dermatologe von der University of Helsinki, betonte in seinem Beitrag, dass das dokumentierte Auftreten von Hautkrebs auf Tätowierungen so selten ist, dass hier von zufälligen Erscheinungen auszugehen sei. (Die Abstracts der Tagungsreferenten können hier nachgelesen werden.)
Verbotene Stoffe
Die Tätowiermittelverordnung listet die Stoffe auf, die in Tätowierfarben verboten sind, allen voran Azo-Farben, die in kanzerogene Amine zerfallen können. Von Biphenyl-4-ylamin bis Xylidin sind es 26 zungenbrecherische Spaltprodukte. Zusätzlich finden sich 36 konkrete Farben mit so hübschen Namen wie Solvent Yellow oder Acid Green. Es ist absehbar, dass die Liste sich im Wettlauf mit den exotischen Innovationen verlängern wird.
Deutsche Hersteller und Importeure von Farben sind verpflichtet, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden, wie die Farbe heißt, woraus sie zusammengesetzt ist und woher die Produktion stammt.
Wer sich vor seiner Tätowierung vergewissern möchte, ob die angebotenen Farben diesen Vorgaben entsprechen, sollte sie sich zeigen lassen.
Vorgeschrieben sind:
- die Angabe Mittel zum Tätowieren, Tätowierfarbe oder Tattoo colour
- die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung oder eine Beschreibung des Mittels und seiner Verwendung
- die Nummer des Herstellungspostens oder ein Kennzeichen zur Identifizierung der Herstellung
- Name und die Anschrift des Herstellers
- ev. ein Mindesthaltbarkeitsdatum
- die Verwendungsdauer nach dem Öffnen
- die Liste der Bestandteile
Farben nicht nur unbekannter Herkunft können Verunreinigung mit Schwermetallen wie Titan, Aluminium, Kupfer und Barium aufweisen. Aber auch so unappetitliche Kandidaten wie Cobalt, Blei, Chrom, Kadmium, Arsen u. a. lassen sich nachweisen, stellten Dr. Beatrice Bocca und Kollegen vom römischen staatlichen Gesundheitsinstitut fest – alles nicht harmlos.
You can’t make an omelette without breaking some eggs.
Ein weiterer denkwürdiger Aspekt ist, dass die Farben ohne Pigmente unbekannter Langzeitwirkung eben keine Farben wären. Relativ eindeutig, weil als Allergen bekannt, verhält es sich mit Nickel, das eben ein Bestandteil der Farben ist. Hier sind die Hersteller gehalten, den Nickelgehalt so weit wie möglich zu reduzieren.
Think, before you ink!
Auch im Zuge möglicher Laser-Tattooentfernungen ist noch nicht eindeutig geklärt, was mit aus der Haut beseitigten Farbpigmenten tatsächlich passiert. Vom Laser zertrümmerte Tattoopigmente werden über das Lymphsystem abtransportiert. Aber wo landen sie? Was passiert mit den Inhaltsstoffen der Farbe bei UV-Einwirkung und/oder Laserlichtbeschuss – Thema Aufspaltung, AZO-Pigmente, AZO-Farbstoffe, usw.? Thomas Sembt von DocTattooentfernung sagt dazu:“ Es muss an allen Ecken und Enden geforscht werden. Das BfR-Symposium ist eine tolle Plattform für den ersten Startschuss gewesen.
Alle beteiligten internationalen, wissentschaftlichen, medizinischen und tätowierenden Instanzen haben ihren derzeitigen, wenn auch nicht immer ganz aktuellen Kenntnisstand auf den Tisch gelegt, um ihn zu teilen. Auch wenn durchweg ein Hauch des gesundheitlichen Risikos über der Tätowierung schwebte, so sind die Kernpunkte einiger Ärzte doch klar definiert worden.
Es konnte in deren Untersuchungen kein Zusammenhang zwischen Krebs und Tattoos hergestellt werden.
Selbst die beschriebenen allergischen Reaktion auf manches Tattoopigment sind durchweg reduzierte Zahlen im Gegensatz zur aktuellen Marktnachfrage nach Tätowierungen. Mein Lieblingssatz war von Prof. Dr. Serup (Departement of Dermatology Copenhagen): „We don’t see cancer! I repeat, we don’t see cancer in tattooed skin, even in lymphnodes!“ Trotzdem bleibt unser Thema Laser-Tattooentfernung sensibel. Das Bestreben von DocTattooentfernung besteht darin die dermatologischen Laserprofis und die Tätowierbranche zusammen zu führen, um einer Laserbehandlung durch Laien Einhalt zu gebieten. Noch besser ist allerdings >>Think, before you ink!<< und Letzteres beim Profi-Tätowierer deines Vertrauens!“
Wer sich also in einem legalen deutschen Studio tätowieren lässt, geht ein geringeres Risiko ein. Zu diesem Risiko ist zurzeit nur so viel sicher zu sagen: Es ist ein weiteres neben unzähligen anderen, denen man sich freiwillig oder unfreiwillig aussetzt. Was das für die eigene Lebensqualität bedeutet, lässt sich nicht verallgemeinernd bestimmen, weil dies wie bei allen Dingen des Lebens im Auge des Betrachters liegt.
Fazit:
Das 1. BfR-Symposium zum Thema „Tattoo-Sicherheit“ war eine sehr gute und lehrreiche Veranstaltung, die hoffentlich einen Startschuss gegeben hat für eine positive Weiterentwicklung. Ziel soll dabei bleiben, dass wir es gemeinsam mit Medizinern, Wissenschaftlern, Gesetzesgebern, der Tätowier-Branche und den Laserspezialisten angehen. Tätowierungen müssen sicherer werden! Für den Träger, wie für die Tattoo-Künstler!