Seit fast hundert Jahren im British Museum, doch bisher unerkannt. Die ältesten Tätowierungen, die der Archäologie bekannt sind, wurden unter Anwendung moderner Technik auf einer ca. 5.200 Jahre alten Mumie aus Oberägypten entdeckt.
Es handelt sich um den konservierten Leichnam eines Mannes um die 20 Jahre, der auf seinem rechten Oberarm die Bilder eines Stieres und einer Ziege trägt.
Tattoo-Kunst 1.000 Jahre älter als bisher angenommen
Der bisherige Stand der Forschung wird durch diesen neuen Fund auf den Kopf gestellt. Zum einen waren Tätowierungen mit einem Alter um 4.000 Jahre nachgewiesen worden.
Zum anderen fanden sich Tätowierungen auf ägyptischen Mumien bisher nur bei Frauen, sodass bis zum jüngsten Fund davon ausgegangen wurde, Tätowierungen wären als Körperkunst ausschließlich für Frauen in Frage gekommen, die diese als Zeichen der Fruchtbarkeit oder möglicherweise aus Motiven der Erotik getragen hätten.
Die Mumie des jungen Mannes ist nicht die einzige, die unter Einsatz von Computertomografie und Infrarotkamera untersucht worden ist.
Der mumifizierte Körper einer Frau aus der gleichen Epoche weist auf der rechten Schulter Tätowierungen in Form von vier gleichmäßigen Schlangenlinien auf, die wie vier S aussehen.
Die Archäologen Renée Friedman, Daniel Antoine, Sahra Talamo, Paula J. Reimer, John H. Taylor, Barbara Wills, Marcello A. Mannino deuten die Tätowierungen der beiden Mumien als Symbole für gesellschaftlichen Status, Mut und magische Kenntnisse.
War Ötzi nicht der älteste Tätowierte?
Bislang galt die Gletschermumie »Ötzi« aus den Ötztaler Alpen in Tirol als Beleg für die früheste bekannte Tätowierung, und Ötzi könnte älter sein als die beiden oberägyptischen Mumien.
Der Gletschermann aus der Jungsteinzeit dürfte zwischen 3.350 und 3.100 vor unserer Zeitrechnung gelebt haben, während die beiden Mumien aus Gebelein nahe Luxor eventuell knapp 100 Jahre jünger sind.
Gemeinsam sind dem Tiroler und dem Ägypter, dass sie beide mutmaßlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen waren und dass ihre Körper auf natürliche Weise konserviert wurden. Der eine im Gletschereis, der andere im trockenen Wüstenklima.
Was nun die Mumien aus Ägypten von Ötzi aus Tirol unterscheidet und zu den ältesten Tattoo-Kandidaten macht, ist die Tatsache, dass es sich bei den Tätowierungen erstens um die ältesten bildlichen Darstellungen handelt – die Tätowierungen Ötzis bestehen aus Strichen, wie sie zustande kommen, wenn Ruß in Ritzwunden gerieben wird.
Und das führt zur zweiten Besonderheit. Die ägyptischen Tätowierungen wurden unter die Haut gestochen. Vermutlich kam ebenfalls Ruß als Tätowier-Mittel zum Einsatz.
Where is Mr. Mustache???
Diese fortgeschrittene Form der Tätowierkunst konnte bisher nicht so weit in die Vergangenheit zurückdatiert werden.
Wenn man einmal vom Fall des »Mr. Mustache« absieht, eine Trocken-Mumie aus Chiles Chinchorro-Kultur.
Der Fischer trug eine gestochene Linie aus Punkten auf der Oberlippe und galt als ältester dienst habender Tätowierter mit einer Datierung von 3.830 Jahren vor unserer Zeitrechnung.
Der Tattoo-Anthropologe Lars Krutak stieß allerdings mit Kollegen in der Auswertung der Forschungen zu Mr. Mustache auf Ungereimtheiten. Diese waren möglicherweise auf einen kleinen aber bedeutenden Tippfehler zurückzuführen.
Die Abkürzung für »vor unserer Zeitrechnung« oder »vor Christus« lautet im Englischen »BC« (before Christ). Alternativ kann man auch bis in die Gegenwart rechnen. Also »before present«, »vor unserer Zeit«, was mit »BP« abgekürzt wird.
Dem Autor der Studie von 1996 J. M. Allison war möglicherweise dieser Fehler unterlaufen. In seinem Forschungsaufsatz war von »BC« die Rede.
Die Radiokarbon-Analyse, mit der das Alter bestimmt worden war, gab 3.830 (+/- 100 Jahre) vor unserer Zeit an. Also »BP« und nicht »vor Christus«. Lektorat könnte einen vor solchem »BS« bewahren!
Übrigens ist »vor unserer Zeitrechnung« der objektivere Ausdruck, weil das Geburtsjahr des historischen Jesus auch nicht feststeht – das kann man glauben, wenn man will.
Dass wir aber so rechnen, als ob wir es wüssten, das steht außer Zweifel … Formulierungen können den Unterschied zwischen objektiver Berichterstattung und Fake-News ausmachen, nebenbei bemerkt.
Kurzum: Ötzi ist im weitesten Sinne der Tattoo-Art der älteste bekannte Tintling. Das sicherte seinen Platz im Guinnessbuch der Rekorde.
Die beiden ägyptischen Youngster sind jedoch die ältesten bekannten Tattoo-Träger, die zu Lebzeiten im engeren Sinne tätowiert waren.
Also gestochen und zudem mit bildlichen Motiven. Das wäre durchaus der Erwähnung im Guinnessbuch der Rekorde wert.