Diskriminierung seitens (potenzieller) Arbeitgeber bleibt nach wie vor eine Bedrohung für die individuellen Karrierewege von Menschen mit Tätowierungen.
Das gilt nicht nur für private Unternehmen, die in ihren Kundenbeziehungen einer bestimmten Kultur verpflichtet sind und in der Tattoos als Kennzeichen sozialer Ächtung gelesen werden.
Das gilt auch für ein Beschäftigungsverhältnis im Staatswesen, sei es eine Anstellung oder Verbeamtung. Einerseits könnte argumentiert werden, dass insbesondere Beamte auf eine Vorbildfunktion verpflichtet sind, die ihr Privatleben nicht ausspart.
Ein Bewerber für den Polizeidienst in Nordrhein-Westfalen, der vom Auswahlverfahren wegen seines Löwenkopf-Tattoos auf dem linken Unterarm ausgeschlossen worden war, hatte gegen die Entscheidung geklagt.
Und vor dem Verwaltungsgericht im Eilverfahren Recht zugesprochen bekommen.
Die folgende glückliche Ernennung zum Kommissaranwärter war allerdings unter Vorbehalt einer späteren Entlassung erfolgt.
Tattoo und Vorbildfunktion
»Beamte sind Personen, welche in einem öffentlichen-rechtlichen Treueverhältnis zum Staat beziehungsweise einer juristischen Person des öffentlichen Rechts stehen. Ihre Aufgaben bestehen insbesondere in der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben.« (Juraforum 2018)
Zu den sog. Dienst- und Treuepflichten eines Beamten gehören u. a. Anweisungen zum Auftritt, was zwangsläufig das Aussehen einschließt.
Diese Anweisungen dürfen jedoch nicht zu weit gehen, wie das Bundesverwaltungsgericht vor fast 20 Jahren in einem Fall befand.
Und dabei ging es um Körperschmuck, nicht um Tätowierungen. Der Dienstherr würde dann zu weit gehen, wenn das Persönlichkeitsrecht des Beamten (oder Anwärters) verletzt würde.
Hier stehen sich also zwei Prinzipien gegenüber, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Hoheit des Staates im individuellen Auftritt zu wahren, aber im Vollzug dieser Wahrung nicht übermäßig in seinen individuellen Rechten eingeschränkt zu werden.
Anders gesagt: Ist eine Dienstanweisung mit höherrangigem Recht vereinbar oder nicht? (Der Preis für die relativ privilegierende Verbeamtung ist freilich schon, dass der Staat mehr von seinen Mitarbeitern verlangen darf, als etwa in der Privatwirtschaft üblich ist.)
Mir wollet koi Samurai mit Roiszähn
In Baden-Württemberg beispielsweise hat das Innenministerium eine Leitlinie formuliert, die Tätowierungen verbietet. ».. die einen vertrauensunwürdigen Eindruck erwecken und im Dienst sichtbar sind« (3.3 der Leitlinien des Innenministeriums Baden-Württemberg).
Zugleich haben Bewerber einen grundgesetzlichen (höheres Recht!) Anspruch auf Tolerierung. Die Frage ist also, nach welchen Maßstäben bemessen wird, was vertrauensunwürdig, was tolerabel ist.
Hier gilt wie auf hoher See: Vor Gericht ist man in Gottes Hand … Im Jahre 2015 hatte ein Bewerber geklagt, weil er im Bewerbungsverfahren für den mittleren Polizeivollzugsdienst keine Berücksichtigung aufgrund seines Samurai-Tattoos auf dem linken Oberinnenarm fand.
Wie ihm mitgeteilt worden war.
»Ein Motiv der Tätowierungen sei nicht mit dem Berufsbild eines Polizisten vereinbar. Nach den Leitlinien des Innenministeriums Baden-Württemberg vom Februar 2014 seien Darstellungen unzulässig, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstießen, diskriminierende, gewaltverherrlichende oder sonstige gesetzlich verbotene Motive enthielten sowie solche Motive, die im Einzelfall einen vertrauensunwürdigen Eindruck erweckten.
Das Tattoo auf dem linken Oberinnenarm, das eine Samurai-Maske mit ›Reißzähnen‹, ›blutigen Augen‹ und einem ›horn-ähnlichen Aufsatz‹ zeige, sei mit diesen Leitlinien nicht vereinbar.
Eine Übertätowierung sei nicht ausreichend, da das eigentliche Motiv Grund der Ablehnung sei.« (VG Sigmaringen, Beschluss vom 26. August 2015 · Az. 5 K 2479/15)
Hier währte der Streit nicht lange, ob das Tattoo gewaltverherrlichend sei oder nicht (wie der Kläger – logischerweise – argumentierte).
Für die Berücksichtigung im Bewerbungsverfahren war das bei näherer Betrachtung unmaßgeblich. Das Gericht »verbesserte« die Begründung des ablehnenden Bescheids rückwirkend.
Es argumentierte, dass der Bewerber schon wegen seiner erreichten Punkte im Einstellungstest jenseits von Gut und Böse rangierte, nämlich auf Platz 570.
Da nur 280 Neueinstellungen geplant waren und das Prinzip der Bestenauswahl praktiziert werde, sei die Nichtberücksichtigung der Bewerbung auch ohne Tattoo-Streit rechtens.
Ein Verwaltungsgericht hält fest
»Um den Antragsteller nach diesen Grundsätzen einstellen zu können, müssten mindestens 290 Bewerber, die einen besseren Testwert erzielten, absagen. Dies liegt fernab jeglicher Lebenserfahrung.« (VG Sigmaringen)
Über die Interpretation des Tattoo-Motivs – übrigens eine ästhetische, also im strengen Sinne kunsttheoretische Diskussion – lässt sich lange streiten. Aber das? Kaum.
Preisfragen des Tages: Wieso hat die Polizei sich auf das Tattoo »eingeschossen«? Wieso hat das der Anwalt seinem Mandanten nicht im Vorfeld erklärt?
Der Spaß hatte immerhin einen Streitwert von 6.377,34 € … Jedenfalls ist der ursprünglichen Begründung zu entnehmen, was im Ländle normativ nicht geht, wenn man Polizist werden möchte.
Der angehende Kommissar in NRW wiederum ist aufgrund eines juristischen Fehlers als Gewinner aus dem Rechtsstreit hervorgegangen.
Es fehlt in NRW nämlich an der »erforderlichen gesetzlichen Ermächtigung«. Die wird allerdings benötigt, wenn eine bestimmte Art und Ausführung einer Tätowierung (VG Düsseldorf 8.5.2018) einen Bewerber für ein Amt disqualifizieren soll.
Im konkreten Fall hatte sich mit der Ernennung zum Anwärter, immerhin ein Beamtenverhältnis (!) auf Widerruf, der Rechtsstreit aus Sicht des VG Düsseldorf erledigt.
Für alle, die den Polizeidienst einer aus der Beamtenlaufbahn fallenden Verzierung vorziehen, stehen wir zum Thema Laserbehandlung zur Tattooentfernung wie gewohnt zur Verfügung.
Vielleicht trifft man dabei sogar ja auch den ein oder anderen Kollegen in Uniform …