Bestimmte Berufsgruppen haben immer noch den Nimbus einer gewissen Seriosität. Wobei das für den Sozialwissenschaftler soviel heißt, dass bestimmte Werte aus dem konservativen Kanon mit dem Berufsbild verquickt sind.
So haben es beispielsweise Polizeianwärter mit Tätowierungen zuweilen schwer, überhaupt zur Eignungsprüfung für den Staatsdienst zugelassen zu werden.
Von Bankern, Anwälten und Flugbegleitern wird ebenfalls ein unauffälliger Auftritt erwartet, wenngleich auch hier und da seit neuestem die Krawatte fällt Um Kundennähe zu suggerieren!
Wie ist es nun um Ärzte bestellt? Wirkt sich eine sichtbare Tätowierung am Weisskittelträger negativ oder positiv auf die Wahrnehmung seitens des Patienten aus?
Prof. Dr. med. habil. Tattoo – ob das gut geht?
Die Forscher Marissa Cohen, Donald Jeanmonod, Holly Stankewicz, Keith Habeeb, Matthew Berrios und Rebecca Jeanmonod haben dazu kürzlich eine empirische Studie durchgeführt.
Mit sieben Fragen zu Zuwendung, Behaglichkeit, Fachkompetenz, Professionalität und Bereitschaft, sich vom gleichen Arzt erneut behandeln zu lassen, wurden Patienten einer Notaufnahme nach der Behandlung befragt.
Behandelt wurden sie von »präparierten« Ärzten, die mit und ohne Fake-Tattoos und sogar mit vorgetäuschten Piercings ans Werk gingen. Abgeglichen wurden die erzielten Werte nicht-tätowierter oder -gepiercter Ärzte mit den Varianten »Tattoo«, »Piercing« sowie »Tattoo & Piercing«.
Das Ergebnis des Vergleichs zwischen den drei Testreihen mit der »konservativen« Vergleichsreihe lässt sich knapp zusammenfassen.
In der Notaufnahme macht es in der Perspektive der Patienten wohl keinen Unterschied, ob der Arzt tätowiert und/oder gepierct ist oder nicht. Übrigens handelte es sich um Patienten aller Dringlichkeitsgrade.
In der Notaufnahme ist einem das Licht am Tunnelende näher als das Tattoo.
Die gute Nachricht ist: In der Situation der Notaufnahme ist es den Patienten offenkundig schnuppe, ob die behandelnden Ärzt*innen Tribals am Arm (Männer), Nasenstecker (Frauen) oder Ohrringe (Männer) trugen.
Die psychologische Seite eines Besuchs in der Notaufnahme dürfte von dem dringenden Anliegen geprägt sein, einen akuten „Notfall“ behandelt zu sehen. Die Prioritäten dieser Patienten liegen dann möglicherweise nicht auf der Wahrnehmung etwaigen Hautschmucks beim behandelnden Arzt.
Sondern darauf, dass endlich bitte mal einer die sprudelnde Varizenblutung an meinem Bein stoppen möge. Eventuell haben nicht alle Patienten die Körperverzierungen ihrer Docs wahrgenommen.
Was aus unserer Sicht nicht korrekt abgefragt wurde (hätte als letzte Frage nicht-verfälschend integriert werden können!).
Auch sonst lässt der Versuchsaufbau einen ins Grübeln kommen
Tribals, Nasenstecker und Ohrringe? Abgesehen von der Motivwahl beim Fake-Tattoo (nicht sehr einfallsreich) sind Nasenstecker und Ohrringe eventuell nicht das Erste, was einem beim Stichwort Piercing einfällt …
Wie verhielte es sich bei Labret-, Tragus- oder Septum-Piercings?
Wie werden aber tätowierte und/oder gepiercte Ärzte in deren Praxisalltag oder bei der Visite auf der Klinikstation wahrgenommen?
Das heißt, in welchem Licht sähen Patienten ihr Gegenüber in einer weniger dringlichen Situation? Die These liegt nahe, dass allgemein verbreitete Vorurteile zu Tattoos und Piercings sich in diesen Fällen durchaus negativ auf die Zumessung von Vertrauenswürdigkeit auswirkten.
Dr. B. Rinkmann aus der Black-Wood-Clinic mit Augenbrauenpiercing mit Ball Closure Ring und der Fleur de Lis am Hals tätoiwiert!? Faustregel: Wenn ein Vorurteil besteht, so zeigt es auch Wirkung und es ist schwerer zu spalten, als ein Haar.
Kein Mensch ist frei von Vorurteilen. Dass wir von anderen ohne ausreichende Begründung erstmal schlecht denken, ist reiner Selbstschutz.
Im Arzt-Patineten-Verhältnis könnten Tattoo-Motivwahl und Art des Piercings sicherlich auch eine Rolle spielen.
Ein Äskulapstab auf dem Unterarm tätowiert wäre schon ein anderes Statement als ein Totenkopf mit Messer zwischen den Zähnen, richtig?
Einem Arzt zu begegnen, der den vollständigen Eid des Hippokrates auf dem Körper trägt, ist unsererseits nicht vollkommen ausgeschlossen. Ein bisschen lang ist er aber schon. Eindruck würde es jedenfalls machen!!
Was wird das Tattoo einem sagen?
Eine Tätowierung ist eine Form der Kommunikation innerhalb eines bestimmten Zeichensystems.
Wer sich sichtbar tätowieren lässt, will seinen Mitmenschen etwas sagen. Vielleicht ist es ein guter Ansatz, sich als Arzt vorab zu überlegen, was man seinen Patienten auf dieser Ebene mitteilen möchte.
Was sich ansonsten unter dem weißen Kittel verbirgt, bleibt Arztgeheimnis.
Gleiches gilt im Übrigen bei Airlines für Piloten und Flugbegleiter oder im Bankwesen, wie auch das Handelsblatt aktuell berichtet. Aber mal ganz ehrlich – wo kommen wir hin, wenn wir Tätowierungen am Arbeitsplatz in Zukunft nicht erlauben würden.
Denkt man an die Schar von jungen attraktiven studierenden Tattoo-Trägern, die in absehbarer Zeit unsere Jobs übernehmen, für unsere Rente sorgen und die Speerspitze der Deutschen Wirtschaft abbilden wollen.
Wir hoffen die haben bis zum Bewerbungstermin auf die Vorstandsposten ihre Instagram-Profile alle im Griff…
Wir können Euch nicht alle lasern, also „Think before you ink“!!
Und an alle Un-Tätowierten: Gewöhnt Euch bitte an unsere schöne, bunte, neue Welt!