Artikel von Bianca Freitag, aerztestellen.aerzteblatt.de
Mein Körper, meine Entscheidung? Egal ob Piercing, Tattoo oder auffällige Kleidung: Körperschmuck gehört für viele Menschen heutzutage einfach dazu. Was im Privatleben kein Problem ist, könnte im Arbeitsalltag manchmal dazu werden.
Sind Tattoos für Medizinerinnen und Mediziner erlaubt oder ein Karrierehindernis?
Immer mehr Menschen weltweit haben irgendwo auf ihrem Körper ein Tattoo.
Rund ein Viertel der Deutschen ist tätowiert, wobei jedoch Personen über 55 Jahre deutlich seltener ein Tattoo besitzen als jüngere. Das geht aus einer aktuellen Statistik hervor.
Grundsätzlich gehört es zu den Persönlichkeitsrechten eines jeden Menschen, wie er oder sie den eigenen Körper gestaltet.
In manchen Branchen und Berufen ist ein Tattoo jedoch nicht gern gesehen und kann auch ein Karrierekiller sein.
Problem durch konservative Patientinnen und Patienten
Dazu gehören vor allem eher konservativ angesehene Arbeitsplätze wie Banken, Anwaltskanzleien oder der gehobene Einzelhandel.
Auch im öffentlichen Dienst wie bei der Polizei gelten strenge Kriterien im Hinblick auf Tattoos, da Polizeibeamte in ihrer Funktion stets Neutralität wahren und die gesamte Polizei als Institution repräsentieren sollen.
Hier kann der Körperschmuck also eher hinderlich sein oder sogar dazu führen, dass man einen Job nicht bekommt.
Grundsätzlich existiert aber kein Gesetz, das ein Tattoo verbietet.
Doch wie sieht es mit Tattoos bei Ärztinnen und Ärzten aus? Dieser Beruf hat eine gewisse Seriosität inne.
Das kann dazu führen, dass – besonders ältere – Patientinnen und Patienten sichtbaren Tattoos bei Ärztinnen und Ärzten gegenüber skeptischer sind. Im schlimmsten fall könnten sie deren Professionalität und Kompetenz in Zweifel ziehen.
Denn in vielen Köpfen halten sich die Klischees hartnäckig, dass tätowierte Personen eine deutlich höhere Affinität zu Drogen und Alkohol besitzen oder eher kriminell sind als Nicht-Tätowierte.
Klinische Studie zeigte keine Unterschiede
2018 führten amerikanische Forscher eine klinische Studie durch, die darauf abzielte herauszufinden, ob Patienten in der Notaufnahme einen Unterschied in der ärztlichen Kompetenz, Professionalität, Fürsorge, Zugänglichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit bei Ärztinnen und Ärzten mit Tattoos und Piercings wahrnahmen.
Die Medizinerinnen und Mediziner behandelten während der Erhebung insgesamt über 920 Patientinnen und Patienten aller Dringlichkeitsstufen.
Nach der Behandlung erhielten die Probanden einen Fragebogen. Dieser selbst wurde anonym ausgefüllt und hatte keinen direkten Bezug oder Fragen zu Tattoos und Piercings.
Die Ergebnisse zeigen, dass es – zumindest im Umfeld der Notaufnahme – den Behandelten egal ist, ob ihr Arzt oder ihre Ärztin tätowiert ist. Jedoch gibt es auch Kritik an der Studie, dass Patientinnen und Patienten den Körperschmuck ihrer Behandler in der akuten Situation der Notaufnahme gar nicht erst wahrgenommen hätten und dementsprechend die Ergebnisse nicht valide seien.
Wir berichteten, Juli 2018: https://doc-tattooentfernung.de/tattoo/arzt-tatowiert-patient-skeptisch/
Hygienisches Risiko
Fakt bleibt jedoch: Genauso wie Körpergröße oder Augenfarbe sagen Tattoos nichts über die Qualifikationen oder fachlichen Fähigkeiten von Ärztinnen und Ärzten aus.
Probleme könnten auf der einen Seite durch Patientinnen und Patienten entstehen, die diese Art Körperschmuck ablehnen und möglicherweise nicht wiederkommen oder von Ärztinnen und Ärzten mit Tattoos behandelt werden möchten.
Auf der anderen Seite können Arbeitgeber ganz unterschiedliche Meinungen zum Thema Tattoo haben. Ähnlich ist es auch bei Studierenden oder Dozentinnen und Dozenten.
Während es in Vorlesungen und Seminaren meistens kein Problem ist, gepierct oder tätowiert zu sein, so sieht das in der Praxis oder Klinik schon anders aus.
In Praktika oder Famulaturen sollte man seine persönlichen Piercings abnehmen oder diese in Absprache mit dem Vorgesetzten abkleben oder abdecken. In OP-Sälen gilt auch höchste Vorsicht, da Piercings ein potentielles Infektionsrisiko mit sich tragen.
Gleiches gilt auch für frisch gestochene Tattoos, die sich infizieren können. Hier sollte man dies dem oder der Vorgesetzten melden.
Dann kann geprüft werden, ob oder inwieweit die Ausübung der Tätigkeit im Hinblick auf die Patientensicherheit möglich ist.
Tattoos und Bewerbungsgespräche
Doch ist nun ein Tattoo für Ärztinnen und Ärzte ein Karrierekiller? Entscheidend ist immer die Toleranz des jeweiligen Arbeitgebers.
Sie haben keine gesetzliche Grundlage, Tattoos zu verbieten oder Mitarbeitenden vorzuschreiben, sie entfernen zu lassen.
Was jedoch im Rahmen des Direktionsrechts zulässig ist: Arbeitgeber dürfen Anweisungen bezüglich der Kleiderwahl erteilen. Das heißt, sie können verlangen, dass Tattoos im Arbeitsalltag verdeckt sein müssen.
Das ist aber nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, dass Tattoos schädigend für den Betriebsablauf sind.
Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn Patientinnen und Patienten dadurch abgeschreckt wären.
Ausschlaggebend ist auch dabei die Sichtbarkeit, Größe und Ausgestaltung des Tattoos: Sollte es im Widerspruch zur Einstellung der Praxis oder Klinik stehen, kann der Arbeitgeber verlangen, es zu verdecken.
Was sollte man als Arzt oder Ärztin jedoch tun, wenn man bereits ein Tattoo hat und auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz ist?
Ein Bewerbungsgespräch ist in erster Linie dazu da, sich gegenseitig kennenzulernen. Arbeitnehmer haben hier jedoch den Anspruch, sich selbst gut darzustellen und einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Authentizität ist aber ebenso wichtig. Ärztinnen und Ärzte mit sichtbaren Tattoos sollten sich also die Frage stellen: Sollte ich mein Tattoo versteckt oder offen ansprechen? Eine perfekte Antwort auf diese Frage gibt es leider nicht, denn es hängt von der Gestaltung des Tattoos und der Einstellung des Arbeitgebers ab.
Ein Tipp ist dabei, die Tätowierung nicht in den direkten Fokus des Gesprächs zu rücken, aber das Thema auch nicht zu ignorieren.
Hat man als Arzt oder Ärztin nicht direkt sichtbare Tattoos, beispielsweise am Oberarm, Rücken oder Oberschenkel, muss man das im Bewerbungsgespräch auch nicht ansprechen, da sie durch die Arbeitskleidung abgedeckt werden und somit kein Problem darstellen sollten.
Generell darf der Arbeitgeber auch im Bewerbungsgespräch nicht fragen, ob man tätowiert ist oder nicht.
Möchte man sich als Arzt oder Ärztin ein Tattoo stechen lassen, gibt es zwei Optionen: Auf der einen Seite kann man eine Körperstelle wählen, die nicht verdeckt werden kann.
Hier kann es dann zu möglichen ablehnenden Haltungen von Patienten oder potentiellen Arbeitgebern kommen. Oder man wählt direkt eine Körperstelle, die man im Berufsalltag verdecken kann.
Gerade als Arzt oder Ärztin hat man mit dem Kittel und langen Hosen hier eigentlich den idealen Dresscode.
An dieser Stelle danken wir Frau Freitag und dem Redaktions-Team der DEUTSCHEN ÄRZTEVERLAG GmbH ganz herzlich für die Genehmigung, den Artikel als Zitat in unserem Blog teilen zu dürfen.
Quelle: https://aerztestellen.aerzteblatt.de/de/redaktion/tattoo-tabu-als-arzt-was-erlaubt-ist-und-was-nicht (Foto: AdobeStock_162528169)
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Eine Tattooentfernung für einen angehenden Arzt oder Ärztin? Sollte als Körperschmuck gesehen werden und kein Aufhebens drum gemacht.
Sagt ja auch nichts über die Qualifikation aus.
Danke Dir für Deinen Kommentar Stecher76 und dass sehen wir genau so wie Du.
Es sind ja zudem auch tätowierte und bestens qualifizierte Ärztinnen und Ärzte bei uns im Netzwerk, die sich mit der Materie rund um die gestochene Körperverzierung eben aus eigener Erfahrung bestens auskennen.
Allerdings kann zum einen so manche Weisskittelherde gerade im (Uni-)Klinik-Bereich extrem konservatives Denkmuster in ihren doch recht strengen Hierarchien aufweisen UND es gibt immer wieder Patient:innen die sich an tätowierter Haut stören.
„Das wird sich mit der Zeit aber sicherlich alles rauswachsen!?“ Das Tattoo selbst ist dabei ja auch erstmal unschuldig! Das Motiv ist aber von Relevanz. Darum darf man da auch gerne mal offen drüber diskutieren.
VG