Am 31. Juli 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem vielbeachteten Verfahren entschieden, dass das Bewerben von ästhetischen Unterspritzungen, etwa mit Hyaluronsäure oder Botox, durch Vorher‑Nachher-Bilder unzulässig ist.
Hintergrund ist die Klage von der Verbraucherzentrale NRW gegen das Unternehmen Aesthetify der Social‑Media-Influencer-Ärzte „Dr. Rick & Dr. Nick“. Der BGH bestätigte damit das beriets gut gereifte Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. August 2024 (Az. I‑4 UKl 2/24).
Zentral stellte sich die Frage, ob sogenannte minimal-invasive Eingriffe mit Kanüle, wie die Injektion von Hyaluron unter den Begriff des „operativ plastisch‑chirurgischen Eingriffs“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) fällt.
Der BGH folgte der Auffassung des OLG und bewertete solche Behandlungen als operative Eingriffe. Unabhängig vom fehlenden Skalpell und solange der Körper in seiner Form oder Gestalt verändert wird.
Bundesgerichtshof Urteil vom 31. Juli 2025 – I ZR 170/24
Damit ist nun klar, dass Werbung mit vorher/nachher‑Fotos in diesem medizinischen Bereich generell verboten ist und nicht nur für die Sparte der klassischen Schönheitschirurgie.
Die Frage dazu lautet, warum der Gesetzgeber und die Gerichte das so sehen?
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG), oder korrekter Weise das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens, verfolgt seit 1965 das Ziel, Verbraucher vor suggestiver Werbung für medizinisch nicht notwendige Eingriffe mit Risiken und Nebenwirkungen zu schützen.
Gerade junge und beeinflussbare Zielgruppen können durch solche Bilder zu Eingriffen angeregt werden, ohne Information über mögliche Komplikationen oder Limitierungen zu erhalten
Experten, wie Dr. Helge M. Jens (private DOMHOF-Klinik in Aachen), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch‑Plastische Chirurgie, warnen, dass vorher/nachher-Fotos unrealistische Erwartungen wecken:
„Solche Bilder gaukeln vor, dass sämtliche Eingriffe bei allen Menschen möglich seien …“
Sie blenden Risiken aus und suggerieren ein perfektes Ergebnis, das in vielerlei Fällen nicht erreichbar ist.
Das Gericht und Verbraucherschützer argumentieren daher, dass solche Bilder eher Werbung als seriöse Information darstellen, weil selektiv nur Beispiele optimaler Ergebnisse gezeigt werden und Risiken verschwiegen bleiben.
By the way sind Fotos von misslungen Eingriffen und medizinischer Indikation ohne erweiterten Kontext in der Öffentlichkeit verboten. „Wir retten Gesichter – besser als die Konkurrenz!„, das wäre mal was. In der Kosmetik wirds derweil gerne mal in den digitalen Äther gehustet (fragt uns nach Quellen und wir mailen sie Euch).
Was beinhaltet die Kernaussage des BGH?
Eingriffe per Spritze zählen! Nicht das Skalpell entscheidet, sondern die Tatsache, dass ein Eingriff mit körperlicher Auswirkung und Gestaltung am Menschen stattfindet.
§ 11 HWG ist weit auszulegen: Operative plastisch‑chirurgische Eingriffe umfassen auch minimal-invasive Methoden.
Zweck des Werbeverbots ist der Schutz vor emotionaler Beeinflussung, die zur Entscheidung für gesundheitlich nicht notwendige Eingriffe verleiten kann.
Die Auswirkungen für die Praxis lautet, dass Anbieter solcher Dienstleitungen künftig auf bebilderte Darstellungen mit vorher/nachher‑Fotos ihrer Injektions-Ergebnisse in der Öffentlichkeit verzichten müssen. Andernfalls drohen teure Unterlassungsklagen und Rechtsschutzansprüche.
Wer jetzt denkt, seine KI könne ihm anstatt kurz eine Dicke-Lippe-Karikatur oder Avatar im Comic-Style basteln, der irrt. Seit Urteil des OLG ist auch diese Form bereits seit 04/2024 (9 U 1097/23) verboten.
Wie steht es um vorher/nachher‑Fotos bei der Tattooentfernung mittels Laser?
Die Tattooentfernung per Laser verfolgt grundsätzlich einen anderen Zweck als die reine Schönheitskorrekturen.
Unsere bunten Netzwerk-User kommen in der Regel nicht mit einem hässlichen Tattoo-Motiv oder missglücktem Permanent Make-up zu uns, sondern mit einem Problem, dass Sie zum einen häufig aus psychologischer Notwendigkeit heraus beseitigen möchten. Zum anderen wirkt die Tattooentfernung selbst bleibend und therapeutisch und ist nicht rein ästhetisch für sie.
Die Verbraucherzentral NRW (Faktencheck Gesundheitswerbung) hat uns auf Anfrage ihre Einschätzung gemailt. Leider ist die mit dem Fall betraute Juristin aktuell im Urlaub.
Etwas umformuliert mit unseren Worten: „Das BGH-Urteil bezieht sich – soweit bekannt, da noch kein schriftlicher Wortlaut vorliegt – auf Instrumente wie Kanülen. Und es findet bei der Tattooentfernung mittels Laser auch keine Gestalt- und Formveränderung statt, wenn man die Ausführung des BGHs richtig versteht. Es ist eher so, dass der ursprüngliche Hautzustand wieder hergestellt wird.“
Abwägung: Ist Laser-Tattooentfernung „operativ, plastisch‑chirurgisch“?
Bei unbedingter medizinischer Indikation, zum Beispiel einer Tattoo-Allergie, Entzündung oder Infektion, liegt kein reines Lifestyle- oder Ästhetik-Produkt mehr vor.
Der Eingriff ist technisch allerdings komplexer. Laser-Fragmentierung der Tattoo-Pigmente, was in der Regel mehrere Behandlungswiederholungen benötigt, beinhaltet auch mögliche Narbenrisiken und kann von diversen Nebenwirkungen begleitet sein.
Dennoch handelt es sich nicht um die klassische plastisch-ästhetische Chirurgie, sondern um dermatologische, pigmenttherapeutische Verfahren ohne unmittelbare Formänderung des Körpers. Um genau zu sein, handelt es sich bei der Verwendung von Q-switched Nano oder Pico Lasern um eine nicht-ablative, minimal-invasive, gewerbliche, ästhetisch-kosmetische Laserbehandlung mit Arztvorbehalt nach NiSV § 5 Abs. 2, die keinen Facharzt erzwingt.
Im deutschen Gesetzestext (HWG § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1) tauchen solche Verfahren zur Tattooentfernung nicht ausdrücklich auf. Anders als bei Unterspritzungen, die gezielt Form und Kontur verändern.
Bisher existieren keine höchstrichterlichen Entscheidungen, die Werbung mit vorher/nachher‑Fotos bei der Tattooentfernung untersagen (Stand: heute, 1. August 2025).
Dennoch sollte unseres Erachtens nach Vorsicht geboten sein.
Auch hier könnte man argumentieren, dass die Darstellung eines Vorher-Zustands (Tätowierung) gegenüber dem Nachher-Zustand (tattoofrei) suggestiv ist. Insbesondere, wenn der Begleittext ohne erläuternde Hinweise auf optimale ästhetische Behandlungs-Ergebnisse abzielt.
Bei rein dokumentativen, medizinisch motivierten Darstellungen (z. B. in Fachkreisen) erscheint Werbung mit vorher/nachher‑Fotos weniger problematisch als bei privaten Lifestyle-Kampagnen.
Hierbei geht es aber auch weniger um den Werbe-Effekt als um „Monkey see, Monkey do“ und die Erläuterung eines Behandlungserfolgs oder Misserfolgs vor Kollegen.
Die Werbeform mit vorher/nachher‑Fotos würde daher vermutlich entsprechend genau geprüft. Vor allen Dingen, wenn sich der Tattooentfernungs-Anbieter an Laien, also seine zu akquirierende Kundschaft richtet.
Was lehrt unsere Laser-Bubble das vorher/nachher‑Foto Urteil?
An erster Stelle dürfte die Relevanz für das Denken und Handeln in Zielgruppen stehen. Je mehr ein Eingriff von der nicht-medizinischen Öffentlichkeit als „schönheitsbezogen“ empfunden wird, desto gefährlicher dürften Vorher‑Nachher-Darstellungen rechtlich werden.
Unterschieden werden muss Fachpublikum vs. Konsumentenwerbung. Die Werbung darf sich an Fachkreise richten aber nicht an Laien. Das könnte auch für den Bereich der Tattoo-Entfernung mittels Laser gelten.
Wichtig ist die Aufklärung anstatt der Ästhetik. Bei riskobehafteten oder medizinisch indizierten Verfahren ist statt ästhetischem Effekt die sachliche Aufklärung über Risiken, Ablauf und Alternativen entscheidend.
Gibt es alternative Darstellungsformen?
Da Vorher‑Nachher‑Werbung im ästhetischen Bereich rechtlich unzulässig oder nur eingeschränkt zulässig ist, sollten Anbieter auf transparente und seriöse Alternativen setzen.
- Fallstudien und anonymisierte Erfahrungsberichte, die Risiken und Unsicherheiten thematisieren
- Grafiken, die zeigen wie die Behandlung abläuft und worauf geachtet werden muss
- Video-Interviews mit Kunden und Patienten, in denen echtes Feedback und ihre persönlichen Einschätzungen geschildert werden
- Informationsseiten mit klaren FAQs, zu Risiken, realistischen Ergebnissen und Auswahlkriterien
Die Verbraucherzentrale NRW empfiehlt genau solche Formen der ehrlichen Aufklärung kontra der suggestiven Werbebilder.
Fazit
Das BGH-Urteil vom 31. Juli 2025 (Az. I ZR 170/24) bedeutet eine klare Weichenstellung an.
Werbung mit Vorher‑Nachher-Bildern bei ästhetischen Unterspritzungen ist verboten und zwar unabhängig vom Skalpell.
Das Urteil soll den Verbraucherschutz verschärfen und schränkt emotionale Werbeformen drastisch ein. So jedenfalls die Hoffnung der Juristen.
Im Vergleich dazu ist die Laser-Tattooentfernung juristisch (Stand heute) nicht explizit im HWG oder in Revisionsurteilen verankert. Aber angesichts der vergleichbaren emotionalen Wirkung sollten auch Anbieter in diesem Bereich sehr vorsichtig agieren.
Empfehlenswert ist stattdessen eine seriöse, informationsorientierte Kunden-Kommunikation, die über Möglichkeiten, Grenzen und Risiken aufklärt.
Bei uns gibt es zur Tattooentfernung und den vorher/nachher Fotos mehr Text als Bild >>
Unsere persönliche und nicht-juristische Anmerkung:
Die Urteile vom OLG Hamm (08/ 2024) und nun vom BGH (07/2024) sind total bescheuert! Sorry, no sorry und willkommen in der digitalen Neuen Welt. Lieber BGH, zoom mal out!
Das HWG bedarf dringend einer adäquaten Überarbeitung.
Wir erinnern uns (ja, Opa erzählt wieder aus’m Krieg), dass es nach HWG bis 2012 dem Arzt noch untersagt wurde, sich mit Stethoskop um den Hals und weißem Kittel (Berufskleidung) ablichten zu lassen. Dies sollte einer unangemessenen Kommerzialisierung medizinischer Dienstleistungen entgegenwirken und das Vertrauen in die ärztliche Integrität schützen.
Übersetzt >> man wollte vermeiden, dass Dir Dein Haus- & Hof-Proktologe mit seinem Rektal-Spreizer in der Hand vom Heck des örtlichen Busunternehmens an der Ampel aufs Armaturenbrett guckt.
Image-Werbung in der eigenen „Berufs-Buchse“ ist nach HWG-Novelierung nun seit 08/2012 zulässig (auch mit Spreizer oder Spritze), sofern sie sachlich gestaltet ist und keine indirekte Gesundheitsgefährdung oder unsachliche Beeinflussung von medizinischen Laien darstellt.
Übersetzt >> Arzt mit Kittel und Spritze in der Hand geht. Botox-/Filler-Kunde vorher/nachher geht nicht!
Das Tragen von „gebührend konfektionierter“ Privat-Kleidung am medizinischen Arbeitsplatz mit direktem Patientenkontakt wäre berufsrechtlich wie hygienetechnisch derweil mehr fragwürdig, wenn man sich die beiden sockenlosen Botox-Approbaten in ihren Videos mal antuen möchte. Deren angepriesenes ISO 9001:2015 zertifiziertes QS-Managmentsystem weint derweil eventuell im Strahl.
Was das Zeigen von vorher/nachher-Fotos betrifft, so finden wir die höchstrichterliche Entscheidung allerdings wirklich schräg. Mit einem Verbot ist keinem geholfen.
Nicht nur, dass Kunden ihre Ergebnisse selber im Internet posten und mit ihrer 1000er/+ Followerschaft besprechen, sondern weil uns das WORLDWIDEWeb mit vorher/nachher-Fotos eh überflutet.
Erwartungshaltungen und Begehrlichkeiten werden übrigens nicht nur in Deutschland für Deutschland von Deutschland aus und einem Facharzt geweckt.
Was ist eigentlich mit so einer Lipo-, Haartrans- oder Sklerotherapie?? Bubi-OP? Nippel abkleben nicht vergessen! Das Reel aus der Proktologie von gestern lassen wir hier mal lieber unbesprochen.
Nadelwerk und vorher/nachher‑Fotos geht also nicht. Ein Glück, dass Tätowierer nicht unters HWG fallen.
Viel wichtiger sind doch juristische Regelungen, die digitale Nachbearbeitungen von Bildern, Kennzeichnungspflichten und Erläuterungen in den Captions (ggf. direkt im Bild) notwendig machten.
Ob der interessierte Kunde oder Patient vorher/nachher-Fotos nun erst bei seinem Arzt in seiner Botox/Filler-Tanke sieht oder in einem internationalen Online-Forum, wenn er seine/ sie ihre Bodymodifikation vorab googelt, spielt wohl eher keine Rolle.
Die Yellowpress und ihre Promis werden es mir im Zweifel eh schon mitteilen, was der neueste Beauty-Sh*t ist. Und sicherlich mit vorher/nachher-Fotos, Interview vom Krankenbett und OP-Room-Tour.
P.S.: Das Foto von (c) Atlasstudio (oben) zu unserem Blog-Beitrag haben wir nicht ohne Grund ausgewählt. Der Titel lautet übrigens „Concept of beauty and botox with young woman.“ Begehrlichkeiten lauern möglicher Weise an vielerlei Stellen, oder?
Hahaaaa, klasse Anmerkung! 🙂 Wie geht es eigentlich Carmen? Fehlt eigentlich nur noch die Bodycam mit Stream vom Arzt.
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/unterhaltung/Carmen-Geiss-schockt-mit-ihrer-letzten-Beauty-OP-article25674171.html
Danke Dir, vinted76 😂
Ja, wir hätten uns fast in Rage geschrieben. Dein Beispiel von Carmen Geiss hier lässt die OLG/BGH Entscheidung zu den vorher-/nachher-Fotos wirklich ein Stückchen blasser aussehen. Danke Dir für die Erinnerung daran.
VG